Der einsame Weg
dem Gefangenen die Werkzeuge, sein Auftragsblatt, seine Schlüssel und das Nummernschild vom Helm ab. Mit dem eigenen Schweißgerät des Mannes schmiedete er das Schulterteil seiner Panzerung an die Kraftanlage.
„In drei Stunden“, versprach Chan, „komme ich zurück und lasse dich frei.“
Er packte einen Gleitring an dem Führungsdraht, und der Geopeller trug ihn fünfhundert Meilen hinunter zum Herzen des Neuen Mondes. Der Draht endete an einer großen Plattform auf einer der breiten, röhrenförmigen Verstrebungen des Zentralsterns. Er sank inmitten eines Dutzends anderer Männer herab, die alle Werkzeuge trugen, und hastete mit ihnen in ein großes Eingangsventil.
Sein eigenes Gesicht blickte ihn von der Wand des Ventils an. 250 000 DOLLAR BELOHNUNG! schrillten grellrote Lettern.
Als er mit den anderen die Schleuse verließ, steckte er das erbeutete Auftragsblatt in einen Kasten. „Spiegel 17-B-285 nachsehen und ausbessern“, lautete die Anordnung auf ihm. Er kritzelte darunter: „Defekten Schalter gefunden und repariert.“
Wie lange würde es dauern, fragte er sich, bis ein anderer Arbeiter, hinausgeschickt, um bessere Arbeit zu leisten, den ersten an die Kraftanlage neben der „Phantom Atom“ geschmiedet finden würde?
In den Umkleideräumen, in denen Männer sich aus ihren metallenen Rüstungen schälten, unter die Duschen hasteten und dankbar ihre Kleidung anlegten, bemerkte er erneut den unheilvollen Anschlag. Alle Gespräche, die er auffing, befaßten sich mit dem Basilisken.
Chan Derron fand den Schrank, der seine ausgeliehene Nummer trug. Er hing seinen Anzug auf, schlüpfte eilig in das Gewand, das er darin entdeckte, und drängte sich in eine Gruppe müder Männer, die nach Hause und ihrem Abendessen entgegenhasteten.
Er sonderte sich von den Arbeitern ab, und eine kleine Tür öffnete ihm den Weg in die weiten, geräuschvollen Räume unter den Docks, die von den Passagieren eintreffender Raumer überfüllt waren.
„Ihr Vorbestellschein, mein Herr?“
Es war ein aufmerksamer, dunkelhäutiger, martischer Portier. Das schmutzige Papier, das in der Tasche seiner gelben Uniform steckte, war, wie Chan erkannte, sein Steckbrief. Mit einem besorgten Stirnrunzeln klopfte Chan seine entliehenen Taschen ab.
„Oh, jetzt fällt es mir ein.“ Er zwinkerte. „Ich habe ihn in mei nem Gepäck gelassen. Können Sie mir ein Duplikat besorgen?“
Studierten die dunklen Augen seine Narbe? Er verlagerte das Gewicht von dem verkrüppelten Fuß auf sein anderes Bein.
„Ja, mein Herr. Eine zeitweilige Bescheinigung. Ihr Name, mein Herr?“
„Dr. Charles Derrel, Meeresbiologe. Von Venus auf der Durchreise zur Erde. Zwei Tage hier.“ Er zwinkerte erneut. „Könnten Sie mir eine dunkle Brille besorgen? Ich bin das Licht nicht gewöhnt. Die Wolken auf Venus, wissen Sie –“
Der Schein, offenbar eine notwendige Zugangsformalität zu den Wundern des Neuen Mondes, wurde alsbald ausgestellt. Chan schickte den Portier, um sein nichtexistierendes Gepäck zu holen, und eilte allein weiter. Die Transitbänder trugen ihn durch endlose, riesige Hallen, vorbei an glitzernden Geschäften. Als das Kasino vor Chan auftauchte, sprang er von dem Band.
Das Mädchen, das ihn vor dem Eingang erwartete, war schlank, von einem stolzen Adel der Haltung, wie er ihn selten erblickt hatte. Ihr reiches Haar leuchtete platinweiß; ihre zarte Haut schimmerte weiß; sie trug ein Vermögen an weißen calistonischen Pelzen. Und ihre Augen, bemerkte er, zeigten ein seltenes, tiefes Violett.
Er wollte an ihr vorbeieilen, doch sie kam rasch über den golddurchzogenen Smaragdboden des Eingangs auf ihn zu. Ein Lächeln erhellte die weiße Vollkommenheit ihrer Züge. Ihre Augen leuchteten unter warmem Erkennen auf. Erfreut – aber zu leise, als daß ein anderer es hätte hören können – begrüßte sie ihn mit seinem Namen:
„Chan! Sie sind tatsächlich Chan Derron!“
Gelähmt vor Überraschung, erschauerte Chan Derron beim Klang dieser Worte.
7. KAPITEL
Die Spielsäle umfaßten einen Komplex von sechs gewaltigen Hallen. Sie gingen strahlenförmig von dem Privatbüro Gaspar Hannas’ aus, welches genau in der Nabe des Rades lag, das der Neue Mond bildete. Die Innenseite der Bürowände war durchsichtig, und Hannas konnte von dem großen Drehstuhl im Innern seines ringförmigen Schreibtisches auf jeden der Säle herunterblicken.
Die Räume waren weitläufig und luxuriös ausgestattet. Die Wände trugen ausgesuchte
Weitere Kostenlose Bücher