Der Einsatz
was in der CIA hinter den Kulissen ablief. Er ging zum Kopfende des Konferenztisches und setzte sich auf den Stuhl dort, der fast zu klein für seinen massigen Körper war.
«Sobh bekheyr az laneh jasoosi.»
Mit diesem Satz eröffnete Harry jede Dienstbesprechung. Guten Morgen und willkommen im Spionagenest.
«Was gibt es Neues?», fragte er dann.
«So gut wie nichts», brummte Marcia Hill. Sie hatte ein seltsames Grinsen auf dem Gesicht, das Harry nicht recht deuten konnte. Harrys Stellvertreterin war Ende fünfzig, eine gestandene Frau mit einem verlebten Gesicht und einer von Whisky und Zigarettenrauch angenehm lädierten Stimme. Sie hatte die leicht verruchte Ausstrahlung einer abgehalfterten Filmschauspielerin und war als eine der Letzten, die 1979 die Besetzung der U S-Botschaft in Teheran und die darauf folgende, dreißig Jahre andauernde Abkühlung der diplomatischen Beziehungen noch persönlich miterlebt hatten, das lebende Gedächtnis der Iran-Abteilung. Als Frau hatte sie damals eine der undankbarsten Stellen in der CIA bekommen und unzählige Berichte über die Lage in Persien verfassen müssen. Nebenbei hatte sie auch noch Farsi gelerntund als Kummerkasten für die frustrierten Kollegen der Nahostabteilung fungiert, die nach dem Zusammenbruch des Schah-Regimes mit den Nerven völlig am Ende waren.
In der Dürreperiode, die auf dieses Ereignis folgte, war Marcia eine wahre Fundgrube an Informationen über frühere Operationen im Iran. Sie kannte die Namen und familiären Verhältnisse sämtlicher Agenten von damals und wusste, wie falsch man sie mitunter eingesetzt hatte. Im Grunde war sie die Einzige, die genau wusste, was für schlechte Arbeit die CIA im Iran geleistet hatte, weshalb man sie auch auf einem unbedeutenden Bürojob parkte. Eigentlich stand sie schon kurz vor der Pensionierung, als Harry sie wieder ausgegraben und als seine Stellvertreterin ins Persische Haus geholt hatte. Nur aus Mitleid mit ihm hatte Marcia sein Angebot angenommen.
Nun rasselte sie die Informationen herunter, die im Lauf der Nacht von den Horchposten in Dubai, Istanbul, Baku und Bagdad sowie von mehreren Dutzend anderer Stationen hereingekommen waren. Ein Agent in Istanbul hatte einen Iraner aufgetan, der in der Türkei Urlaub machte und angeblich zu den Revolutionsgarden gehörte. Der Mann war ihm aber wieder entwischt. Ein anderer Agent, der in Dubai einen Geschäftsmann mimte, hatte mit einem iranischen Banker über eine Investition in Pakistan gesprochen. Der Iraner hatte erwidert, er wolle es sich überlegen, was im Klartext bedeutete, dass das Geschäft für ihn gestorben war. Ein Agent in Deutschland bemühte sich gerade um Kontakt zu einem iranischen Wissenschaftler, der dort an einer Konferenz teilnahm, doch der Mann hatte zwei Wachhunde vom iranischen Geheimdienst dabei, die ihm auf Schritt undTritt folgten und dem Agenten keine Chance ließen. Wie Marcia schon anfangs gesagt hatte: Es gab so gut wie nichts Neues.
«Wie sieht es mit unserer Kandidatenliste aus?», fragte Harry. «Tut sich da etwas?»
Das Persische Haus beobachtete seit Jahren eine ganze Reihe iranischer Wissenschaftler. Jeder Student, der in Europa ausgebildet wurde, jeder Iraner, der etwas in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichte, jeder Reisende, der in den Westen kam, um Laborausrüstung oder Computerhardware im großen Stil zu kaufen, wurde in die Liste aufgenommen. Jedes Mal, wenn einer von ihnen eine internationale Grenze überschritt, löste das in der Iran-Abteilung Alarm aus: Hier kommt jemand, den man möglicherweise für die CIA rekrutieren kann. Leider durften die Begehrtesten unter diesen Zielscheiben nur noch höchst selten das Land verlassen, und wenn doch, dann nur in Begleitung. Die Iraner waren schließlich nicht dumm. Sie wussten genau, was die Amerikaner vorhatten. Und wenn sie wirklich einmal jemanden ohne Bewachung in den Westen ließen, dann war das mit ziemlicher Sicherheit ein Köder.
Jetzt meldete sich Tony Reddo zu Wort. Eigentlich gehörte er zur Abteilung WinPac, die in der CIA Atomwaffenprogramme fremder Staaten überwachte. Er war dem Persischen Haus leihweise überstellt und so jung, dass Harry sich manchmal fragte, ob er sich eigentlich schon rasierte. Tony hatte mit vierundzwanzig seinen Doktor in Physik gemacht und war jetzt gerade einmal sechsundzwanzig. Die anderen jungen Leute im Büro zogen ihn auf, weil er so gescheit war.
«Wir haben drei neue wissenschaftliche Arbeiten im
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