Der Einsatz
aber die Maschinerie ist nun mal angelaufen. Trotzdem denke ich, dass der Präsident die zwei Wochen bis zum letzten Moment ausschöpfen wird, wenn ich ihm sage, dass wir diese Zeit brauchen, um unsere Quellen zu überprüfen.»
«Wenn ich nichts Besseres kriegen kann, dann muss ich wohl die zwei Wochen nehmen.»
«Und was haben Sie vor? Irgendetwas muss ich dem Präsidenten doch sagen.»
Harry wandte sich ab und sah aus dem Fenster auf die raschelnden Baumkronen. Die ersten Bäume warfen in der beginnenden Oktoberkälte bereits ihre Blätter ab. Weiter hinten auf dem Parkplatz standen ein paar Zwergahornbäume, deren Laub feuerrot verfärbt war. Harry Pappas überlegte, ob er dem Direktor erzählen sollte, was er zusammen mit Adrian Winkler plante. Doch damit würde er zu viele Türen öffnen, zu viele Fragen aufwerfen, auf die es keine gute Antwort gab. In einer solchen Lage war es paradoxerweise das Beste, gar nichts zu sagen. Harry war ganz allein aufgebrochen; jetzt blieb ihm keine andere Wahl, als dem eingeschlagenen Weg auch bis zum Ende zu folgen.
«Sagen Sie dem Präsidenten, dass ich mir den Arsch aufreiße, damit er das bekommt, was er braucht. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um unseren Agenten im iranischen Atomprogramm zu kontaktieren und weitere Informationen zu erhalten.»
«Gut, aber wie wollen Sie das anstellen?» Der Direktor sprach so leise, als hätte er Angst, mit seinen Worten etwas sehr Zerbrechliches zu beschädigen.
«Das weiß ich noch nicht. Sagen Sie dem Präsidenten einfach nur, dass ich versuche, ihm die Informationen zu verschaffen, die er braucht, um eine kluge Entscheidung zu treffen. Und dass er keine roten Knöpfe drücken soll, bis er wieder von mir hört.»
«Und was ist, wenn Ihnen die Zeit wegläuft?»
Harry gab keine Antwort. Er hätte gern erwidert, dass er dann einfach um mehr Zeit bitten oder sich sonst irgendetwas ausdenken würde, um noch ein paar Wochen herauszuschlagen. Doch wenn er ehrlich war, hatte er keine Ahnung, was er in so einem Fall tun würde.
25 Teheran
Eine attraktive Ausländerin, die sich ein Hermès-Tuch locker um das blonde Haar gebunden hatte, trat an die Rezeption des Hotels Aziz an der Valiasr-Straße im Norden Teherans. Sie murmelte etwas auf Deutsch vor sich hin, doch als sie sich an den Empfangschef wandte, sprach sie ihn in nicht ganz akzentfreiem Englisch an. Die Suite im siebten Stock sei durchaus akzeptabel, sagte sie ihm. Sehr schön und auch sehr sauber. Ja, vielen Dank, der Portier habe das Gepäck bereits nach oben bringen lassen, alle vier Louis-Vuitton-Taschen sowie das auffallend große Beautycase. Es gebe da nur noch ein klitzekleines Problem. Sie werde zwei Schlüssel brauchen, da sie einen Gast erwarte, der sich hinund wieder einfinden werde und seinen eigenen Schlüssel benötige. Die Dame legte den Kopf ein wenig schief und lächelte den Herrn an der Rezeption an. Das müsse sie doch nicht näher erläutern, oder?
Sie war auffallend schön mit ihrer sanft gebräunten Haut und dem seidigen blonden Haar, dessen Strähnen immer wieder unter dem eleganten Kopftuch hervorglitten, mit dem sie versuchte, der Hijab-Pflicht zu entsprechen. Sie sprach so laut, dass sie jeder in der kleinen Hotelhalle hören konnte, und als der Empfangschef ihr die zweite Schlüsselkarte aushändigte, schenkte sie ihm ein verschwörerisches Lächeln. Dann zog sie einen Zehn-Euro-Schein, legte ihn auf den Rezeptionstresen und ging ohne Eile zum Aufzug zurück.
Jeder Iraner, der diese Frau sah – darunter auch etliche, die im Auftrag der Geheimpolizei unterwegs waren –, war sich sicher, genau zu verstehen, was er da beobachtete. Diese Deutsche musste die Geliebte eines mächtigen Mannes sein: Sie entsprach ganz dem Bild der kultivierten Kurtisane, wie man sie selbst in einer Stadt wie Teheran ständig an der Seite internationaler Geschäftsreisender erlebte. Aus islamischer Sicht war das natürlich zutiefst unmoralisch – aber waren sie nicht alle so, die Frauen aus dem Westen? Wenige Stunden später verfestigte sich der Eindruck, als ein Herr der Dame einen Besuch abstattete – ein vermögender iranischer Geschäftsmann, der einen Großteil seiner Zeit in London und Frankfurt verbrachte. Aus den Abhörmikrophonen im Schlafzimmer der Dame drangen die akustischen Beweise einer erotischen Begegnung. Es klang sehr innig und nach allem, was man da hören konnte, auch nicht gerade zimperlich.
Jackie verbrachte einige Stunden
Weitere Kostenlose Bücher