Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
Vom Netzwerk:
kam, der zu einem kleinen Teich führte, der dem Andenken der Märtyrer aus dem Iran-Irak-Krieg gewidmet war. Im Gehen entdeckte er links vom Weg eine kleine Gruppe exotischer Bäume. Er ging dorthin und zählte fünfzig Schritte, bis er sie erreicht hatte. Er sah sich um und registrierte, dass kaum Leute in der Nähe waren und dass der kleine Hain vom Hauptweg her nicht einzusehen war.
    Das war der richtige Ort. Marwan nahm den künstlichen Stein aus der Tasche und legte ihn hinter einen Zwergahorn. Solange man ihn nicht aufhob und in die Hand nahm, sah er aus wie ein ganz normaler Stein. Dann zog Marwan ein Stück gelber Kreide aus der Tasche und markierte den Stamm des Baumes mit einer dünnen, diagonalen Linie. Die Markierung war kaum zu sehen, wenn man nicht ausdrücklichdanach suchte. Marwan nahm denselben Weg zurück und zählte erneut die Schritte, um ganz sicherzugehen. Er kam auf zweiundfünfzig, doch diese Abweichung war zu vernachlässigen. Dann ging er weiter zu dem Parkeingang, der auf die Niyayesh-Straße mündete, und zählte dabei die Bänke rechts am Wegrand. Es waren vierzehn.
    Marwan zog eine Karteikarte aus der Tasche, auf die er bereits zwei Sätze geschrieben hatte:
Wir sind schon dabei, den Urlaub zu planen. Die Tickets bringen wir Ihnen persönlich vorbei.
Dieselben Sätze hatten auch in der letzten Mail an Karim Molavi gestanden. Darunter notierte Marwan nun in gut lesbaren Druckbuchstaben die Wegbeschreibung zum Versteck und die weiteren Anweisungen:
Gehen Sie heute Abend in den Mellat-Park. Nehmen Sie den Eingang an der Niyayesh-Schnellstraße, zum Märtyrerteich. Gehen Sie weiter nach Norden und zählen Sie vierzehn Bänke links am Wegrand ab. Dann wenden Sie sich nach links und gehen fünfzig Schritte bis zu einem Zwergahorn, der mit gelber Kreide markiert ist. Dahinter liegt ein Stein, der anders ist als alle anderen. Er enthält ein Gerät. Nehmen Sie das Gerät, und werfen Sie den Stein weg. Sie erreichen uns, wenn Sie die 1 drücken.
    Dann faltete er die Karteikarte einmal in der Mitte, sodass sie genau in die Handfläche einer Männerhand passte.
     
    Sie hatten die Büro- und die Privatanschrift der Zielperson. Keine von beiden war völlig ungefährlich, doch sie waren übereingekommen, dass die Privatadresse ein wenig sicherer sein würde. Das Büro in Jamaran stand wahrscheinlich rund um die Uhr unter Beobachtung, und jeder, der sich dort zulange herumtrieb, machte sich verdächtig, gute Tarnung hin oder her. Dies war der schwierigste Teil der ganzen Operation. Wenn hier alles glattlief, war alles Weitere ein Kinderspiel. Doch wenn sie es vermasselten, brachten sie sowohl sich selbst als auch ihren Agenten in Gefahr.
    Marwan aß in einem billigen Restaurant am Jahad-Platz zu Mittag, ganz in der Nähe des Stadions, wo der mächtige FC Esteghlal seine Tore schoss. Bis zu seiner Verabredung mit Hakim um 16   Uhr musste er sich noch ein wenig die Zeit vertreiben. Sie hatten vereinbart, sich auf dem Farabaksh-Platz im Viertel Jusef Abad zu treffen, nur wenige Straßen von Karim Molavis Wohnung entfernt.
    Hakim war pünktlich. Er trug die Kleidung eines südasiatischen Wanderarbeiters: einen schmutzigen Overall und eine Mütze mit Schweißflecken. Die Wanderarbeiter wurden in Scharen aus Pakistan und Afghanistan ins Land geholt, um die Jobs zu erledigen, für die sich die Einwohner Teherans zu gut waren: Straßen fegen, Abwasserkanäle säubern sowie Handlangerdienste auf dem Bau erledigen. Sie waren ein ganz alltäglicher Anblick auf den Straßen von Teheran, vor allem gegen Geschäftsschluss, wenn sie auf die Busse warteten, die sie in ihre billigen Hotels oder Massenunterkünfte zurückbrachten.
    Inmitten einer Gruppe von Passanten, die auf eine Lücke im nie enden wollenden Verkehrsfluss warteten, um den Platz zu überqueren, trat Marwan neben Hakim. Er streifte seinen Arm und steckte ihm dabei die gefaltete Karteikarte mit den Informationen zum Versteck zu. Der Austausch wäre selbst dann nicht zu bemerken gewesen, wenn jemand die beiden Männer beobachtet hätte. Damit war Marwan inSicherheit, und die ganze Gefahr lastete nun auf dem jungen Pakistani.
    Hakim trottete o-beinig die Shahriar-Straße entlang, bis er zur Yazdani-Straße kam. Sein Rücken war gebeugt wie von harter körperlicher Arbeit, und er hielt den Kopf unterwürfig gesenkt, wie es sich für einen nichtswürdigen Pakistani im Reich der edlen Perser gehörte. Die wenigen Passanten, die auf der Straße unterwegs

Weitere Kostenlose Bücher