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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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jungen Atomphysiker meinte. «Ich möchte, dass du in diesem Fall   … ordentliche Arbeit leistest.»
    «Ich werde den Jungen im Auge behalten, Herr General. Wenn ich ihn bei einer Lüge erwische, ist er dran. Aber ich habe noch viele andere Wissenschaftler, die ich überprüfen muss. So ist das nun mal, nicht wahr? Wir müssen jeden im Verdacht haben, doch nur wenn einer einen Fehler macht, können wir zuschlagen, sonst haben wir nichts in der Hand. Das ist doch richtig, oder?»
    Al-Majnoun antwortete nicht auf Mehdi Esfahanis Frage. Er setzte sich nur die dunkle Sonnenbrille wieder auf die operierte Nase, stand auf und verließ den Raum.

7   Washington
    Anfang August bekam Harry Pappas einen Anruf vom Leiter der I T-Abteilung , der in den Fall Doktor Ali eingeweiht war. Harry hielt sich gerade in BethanyBeach auf, wo er mit seiner Frau und seiner Tochter ein paar Tage Urlaub machte, um auf andere Gedanken zu kommen. Wenn er abends am Strand entlangging, glaubte er im Rauschen der Brandung die Stimme seines Sohnes zu hören. Es war ein seltsam trügerisches, irgendwie irreales Geräusch wie das Meeresrauschen, das man in einer ans Ohr gehaltenen Muschel zu vernehmen glaubt, und trotzdem war Harry froh, die Stimme zu hören, denn manchmal fürchtete er, er könnte vergessen, wie Alex geklungen hatte.
    «Ich glaube, Ihr iranischer Freund hat sich wieder gemeldet», sagte der Chef der Datenverarbeitung.
    «Wie kommen Sie darauf?» Pappas hielt den Atem an.
    «Wir haben gerade eine neue Nachricht über unsere Leitung in den Iran bekommen», erklärte der Mann. «Und wir haben sie zurückverfolgt. Sie kommt vom Computer eines Stahlwalzwerks in Shiraz und wurde über einen Server in der Türkei weitergeleitet. Wir haben alles überprüft. Die Nachricht ist größer als die letzte, aber die Tags sind ganz ähnlich. Der Knabe scheint echt zu sein.»
    «Gott sei Lob und Dank», sagte Pappas.
    Seit seiner Antwortmail an Doktor Ali waren nun schon dreißig Tage vergangen, und als nach den vereinbarten fünfzehn Tagen keine Antwort eingetroffen war, hatte Harry schon befürchtet, dass Doktor Ali vielleicht nicht mehr am Leben war. Er hatte sich während dieser Zeit oft wie ein besorgter Vater gefühlt, der darauf wartet, dass sein Kind abends nach Hause kommt. War etwas schiefgegangen? Hatten sie unabsichtlich einen Fehler gemacht und Doktor Ali mit ihrer Antwort verschreckt? Oder schlimmer noch: War er aufgeflogen? Aber jetzt hatte er sich ja wieder gemeldet.
    «Was soll ich mit der Nachricht tun?», fragte der I T-Chef .
    «Machen Sie eine Kopie für mich und löschen Sie sie sofort aus dem offiziellen System. Ich komme noch heute Abend zurück nach Washington.»
    «Warum so eilig? Ich dachte, Sie sind im Urlaub.»
    «So eine Chance kriegen wir kein zweites Mal. Wenn es wirklich Doktor Ali ist, müssen wir ihm so schnell wie möglich antworten.»
    Am Nachmittag fuhr Pappas in seinem Jeep Cherokee zurück nach Washington. Er bat seine Frau um Verständnis, dass er den Urlaub abbrach, doch sie wirkte fast erleichtert. Harry kam nur schlecht damit zurecht, wenn sie zu lange beisammen waren, und manchmal schien es, als wäre er fast noch abwesender als 2004, als er ein ganzes Jahr lang in Bagdad gewesen war. Andrea lebte jetzt ihr eigenes Leben. Tagsüber unterrichtete sie an einer Grundschule in Fairfax, wo sie sich den ganzen Tag mit fremden Kindern beschäftigte, um nicht an ihren toten Sohn denken zu müssen. Abends ging sie dann in ihren Yoga-Kurs oder einen Lesezirkel, wo sie ein Glas Wein trinken und den geschiedenen Frauen zuhören konnte, die von ihrem Liebesleben erzählten. Und natürlich hatte sie noch ihre Tochter Louise, genannt Lulu, die seit dem Tod ihres Bruders sehr still geworden war und manchmal den Eindruck erweckte, als würde sie ihre Eltern dafür verantwortlich machen.
    Als Harry ihr sagte, er wolle sie und Lulu am Wochenende wieder abholen, zeigte Andrea sich erfreut, obwohl sie genau wusste, dass sie letzten Endes wohl doch bei Freunden würden mitfahren müssen.
     
    Nachdem Harry den Haupteingang mit den Sicherheitsleuten und den elektronischen Zugangsschleusen durchquert hatte, eilte er die Flure entlang in sein Büro. Im Korridor C verkündete eine blinkende Warnleuchte, dass ausländische Besucher anwesend seien, und gleich darauf entdeckte er eine Gruppe adretter kleiner Herren in schwarzen Anzügen, die er für Malayen oder Indonesier hielt. Er stürmte an ihnen vorbei die Rampe zum

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