Persischen Haus hinauf. Seine Sekretärin war bereits gegangen, aber das durchgeistigte Gesicht des Imam Hussein lächelte ihm wie immer von seinem Plakat herab milde entgegen. Harry ging in sein Büro, schloss die Tür und loggte sich in seinen sicheren Computer ein.
Als die neue Nachricht von Doktor Ali auf dem Bildschirm erschien, sog Harry die Worte auf wie ein Trinker ein Glas Whisky. Sie war auf Englisch und so abgefasst wie eine Geschäftsmail. Gleich am Anfang stand eine Entschuldigung.
Wir haben Ihre Bestellung für Walzstahl erhalten, konnten sie aber bedauerlicherweise nicht innerhalb der gewünschten Frist bearbeiten. Außerdem nutzen wir den Hotmail-Account nicht mehr, da wir befürchten, unsere Konkurrenten könnten neugierig werden. Wir verwenden deshalb von nun an ein anderes System und haben dazu einen neuen Account unter der Adresse
[email protected] eingerichtet, den wir gemeinsam nutzen können. Das Passwort dafür lautet «ebaga4X9». Bitte schicken Sie weder Nachrichten an noch von diesem Account, sondern loggen Sie sich ein und sichern Sie IhreMitteilungen im Ordner «Entwürfe», wo wir sie später lesen werden. Kontaktieren Sie uns auf keine andere Weise. Wir können Sie leider nicht persönlich treffen, das ist unmöglich, sosehr wir das auch bedauern. Sie kennen den hiesigen Markt nicht so gut wie wir. Wir kümmern uns um die Abwicklung der Geschäfte, nicht Sie. Wir können auch nicht zu Ihnen reisen. Es tut uns leid, aber das wäre nicht klug.
Die Mail endete mit einigen Zeilen auf Persisch, die Pappas an die iranischstämmige Kollegin weiterleitete, die für die Abteilung als Dolmetscherin arbeitete. Nach einer Stunde antwortete sie ihm, dass es sich um ein Gedicht von Firdausi handle, dem vielleicht berühmtesten Dichter der persischen Geschichte. Die Übersetzung lautete wie folgt:
Er sprach: «Gebt mir alsbald Bericht,
Weist der Seel’ einen Weg zum Licht!»
Heimlich begehrt’ er von ihnen Bescheid
Von Gutem und Bösem im Laufe der Zeit.
«Wer wird mein Geschick aufs Haupt mir bringen?
Diesen Gurt und Thron und Kron’ abringen?
Das müsst ihr mir kund so eben tun,
Oder Verzicht aufs Leben tun.»
Als Anhang enthielt die E-Mail ein technisches Dokument. Das war Doktor Alis Geschenk. Ein Geschenk, das alles verändern sollte.
Harry Pappas wartete, bis Tony Reddo und Adam Schwartz sich das Dokument angesehen hatten. Während sie das an dem kleinen Konferenztisch in seinem fensterlosen Büro taten und sich hin und wieder ein paar Brocken technisches Fachchinesisch zuwarfen, mit denen Harry nichts anzufangen wusste, versuchte er ohne großen Erfolg, einen Agentenbericht aus Dubai zu lesen. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Schließlich ergriff Schwartz das Wort.
«Das ist eine große Sache», sagte er. «Eine ganz große Sache sogar, falls es das ist, wofür wir es halten.»
«Und wofür haltet ihr es nun, verflixt nochmal? Spannt mich doch nicht so auf die Folter!»
«Wissen Sie, was eine Neutronenquelle ist?», fragte Reddo.
«Vermutlich eine Quelle, aus der Neutronen sprudeln», erwiderte Harry gereizt. «Nein, ich weiß nicht, was das ist.»
«Eine Neutronenquelle braucht man, wenn man eine Atombombe zünden will.»
«Im Ernst? Und um so eine Neutronenquelle geht es in dem Dokument?»
Schwartz und Reddo nickten synchron.
«In diesem Laborbericht», erklärte Schwartz, der Wunderknabe vom MIT, der für Arthur Fox arbeitete, «wird der Test einer Neutronenquelle beschrieben, die iranische Wissenschaftler gebaut haben, um damit im Innern einer Atombombe die nötige Kernspaltung in Gang zu bekommen. Der Versuch ist aber fehlgeschlagen.»
«Fehlgeschlagen?»
«Ja. Sie müssen sich eine Neutronenquelle wie eine Art Zündkerze vorstellen. Beim Bau der ersten Atombombe,im Manhattan-Projekt, hat man sie auch als ‹Feuerzeug› bezeichnet. Der Zündvorgang einer Atombombe ist ziemlich komplex. Man beginnt mit einer Sprengladung, die genügend Energie produziert, um ionisiertes Deuterium dazu zu bringen, Neutronen auf ein Stück Tritium abzufeuern. Durch die Neutronen wird eine Kettenreaktion in Gang gebracht, die dann auf das Plutonium im Herzen der Bombe überspringt. Wenn das klappt, dann …
Bumm!
Können Sie mir folgen?»
«Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden, aber das spielt ja auch keine Rolle. Vermutlich wollen Sie mir sagen, dass diese Neutronenquelle, wenn sie denn funktionieren würde, in der Lage wäre, eine