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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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und befürchtete gleich, irgendeinen schlimmen Fehler begangen zu haben.
     
    «Allah y’atik al afia»
, sagte Al-Majnoun in libanesischem Arabisch. Obwohl er inzwischen recht passabel Farsi sprach, verfiel er doch häufig in seine Muttersprache.
    Vom Körperbau her war der Libanese keine sonderlich eindrucksvolle Erscheinung. Er war mager, hatte einen leicht gebeugten Rücken und einen schleppenden Gang, der ihn sehr viel älter wirken ließ, als er war. Normalerweise trug er auch im Inneren von Gebäuden eine dunkle Sonnenbrille, die einerseits zur Tarnung diente, andererseits aber auch dazu, die Narben mehrerer Gesichtsoperationen zu verdecken. Diese plastischen Eingriffe waren es auch, die Al-Majnoun zu einer ebenso schillernden wie schwer greifbaren Erscheinung machten. Angeblich hatte er sich operieren lassen, um nach seiner Flucht aus Beirut sein wahres Aussehen zu verschleiern,und nun sah er aus, als hätte er zwei Gesichter in einem – eines oberhalb des Mundes und eines unterhalb. Das obere Gesicht hatte die weichen Augen, die rundliche Nase und die hervorstehenden Wangenknochen eines Europäers, während das untere mit seinen harten, markanten Zügen um Mund und Kinn sehr viel östlicher wirkte. Beide Gesichter schienen gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen zu streben, und die sonderbaren, kleinen Gewebeklumpen, die von den Operationen übrig geblieben waren, verstärkten den Eindruck noch, eher in eine Maske zu blicken als in ein Gesicht.
    Mehdi wünschte seinem Besucher gute Gesundheit und bot ihm einen Stuhl an. Dann fragte er ihn, was eine so hochgestellte Persönlichkeit wie ihn denn dazu bringe, ein kleines Rädchen im großen Getriebe des Geheimdiensts mit seinem Besuch zu beehren.
    «Ich habe einen neuen Auftrag», sagte Al-Majnoun und nahm die Sonnenbrille ab. Bei der Augenpartie hatte der plastische Chirurg besonders schlechte Arbeit geleistet, und Mehdi konnte deutlich erkennen, wo die Haut zerschnitten und wieder zusammengenäht worden war.
    «Stets zu Diensten, Herr General. Worum handelt es sich genau?» Weil der Inspektor nicht wusste, wie er seinen Besucher ansprechen sollte, wählte er einen hohen militärischen Rang.
    «Ich soll herausfinden, ob es im Programm einen Maulwurf gibt.» Al-Majnoun musste nicht extra betonen, dass er das Atomwaffenprogramm meinte. Das verstand sich von selbst.
    «Warum, Herr General? Gibt es denn Anlass zur Sorge?»
    Al-Majnoun strich sich mit der Hand über die unnatürlich straff gespannte Unterlippe. Mehdi konnte nicht sagen, ob die Risse in den Lippen von Sonne und Wind oder vom Skalpell des Chirurgen herrührten. Die Stimme des Libanesen klang unangenehm dünn und schnarrend, als würde sie hoch oben im Kehlkopf erzeugt.
    «Informationen sind wie Sandkörner, Bruder Inspektor. Man kann nie wissen, wo der Wind sie hinbläst. Wir haben da so ein seltsames Gefühl. So, wie wenn man spürt, dass eine Tür offen steht, obwohl man sie gar nicht sieht. Wir fühlen einen Windhauch, sehen, wie ein Vorhang flattert, hören ein leises Knarren. Wir spüren es, ehe wir es wissen. Vielleicht ist es hier genau so.»
    «Aber gibt es eine undichte Stelle?»
    Mehdi rieb nervös die Härchen seines Ziegenbarts zwischen Daumen und Zeigefinger. Er hatte Angst, dass man ihn für etwas verantwortlich machen könnte.
    Al-Majnoun lachte, aber es klang eher wie ein verschleimtes Husten.
    «Wer hat denn etwas von einer undichten Stelle gesagt, mein Freund? Ich denke da eher an Stellen, die einmal undicht werden könnten.»
    Mehdi nickte, obwohl er nicht begriff, was der Libanese genau meinte. Er wollte zeigen, dass er gute Arbeit leistete, damit man etwaige Sicherheitslücken später nicht ihm anlasten würde.
    «Wir sind immer wachsam, Herr General. Gerade eben erst habe ich einen jungen Wissenschaftler aus Jamaran überprüft. Eine äußerst delikate Angelegenheit, aber ich habe ihm gründlich auf den Zahn gefühlt. Ein ernster, sehrverschlossener junger Mann, der in Deutschland studiert hat. Wir machen so etwas tagtäglich, Herr General.»
    «Ich weiß», sagte Al-Majnoun und nickte.
    «Der junge Mann hat die richtigen Antworten gegeben», fuhr Mehdi eifrig fort, weil er glaubte, Al-Majnoun habe zum Ausdruck bringen wollen, dass er mit seiner Arbeit zufrieden war. «Er hat nicht gelogen. Das ist die beste Prüfung. Wer einmal lügt, der tut es immer wieder. Dieser Junge war ehrlich.»
    «Ich weiß», sagte Al-Majnoun abermals, und diesmal wurde Mehdi klar, dass er den

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