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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Es entwickelte ein Eigenleben.
    «Wie bitte?»
    «Ich sage ‹Stimmt›. Und deshalb gehen wir jetzt auch gemeinsam hoch in den siebten Stock und reden mit dem Direktor. Und anschließend fahren wir ins Weiße Haus, so, wie Sie das wollen.»
    Fox wirkte nicht allzu glücklich über seinen Sieg. Es wurmte ihn, dass Harry mit ins Weiße Haus kommen würde.

8   Washington
    Seltsamerweise war gerade das Weiße Haus einer der ganz wenigen Orte in Washington, an denen man erahnen konnte, wie die Stadt einmal gewesen sein musste, bevor sie unter einer dicken Schicht institutionalisierter Täuschung verschwand und sich die Mitarbeiterstäbe vermehrt hatten wie die Zombies in
Die Nacht der lebenden Toten
. So war der Westflügel zum Beispiel so klein, dass er kaum eine größere Anzahl Personen beherbergen konnte. Die Büros des Präsidenten und seiner engsten Berater lagen so nahe beieinander, dass sie sich praktisch nicht aus demWeg gehen konnten. Und wer es durch den Absperrkordon des Secret Service schaffte, der merkte ziemlich rasch, dass der Präsident der Vereinigten Staaten auch nichts anderes war als ein ganz normaler Politiker, der von Höflingen, Schulterklopfern und Menschen umgeben war, die ihn um einen Gefallen angingen.
    Er war ebenso anfällig für falsche Entscheidungen wie jeder andere Politiker auch, vielleicht sogar noch stärker. Das wahre Geheimnis des Weißen Hauses war seine Normalität   – Mittelmaß im XX L-Format sozusagen.
    Die Empfangshalle des westlichen Flügels war kaum größer als der Sitzungsraum eines Gouverneursbüros in einem der kleineren Bundesstaaten. Rechts neben der Tür befand sich ein Schreibtisch, an dem eine Sekretärin saß, und in den drei anderen Ecken des Raumes standen Sofas und Polstersessel, auf denen Minister und alte Kumpels aus dem Heimatstaat ebenso auf den Präsidenten und seine engsten Berater warteten wie durchtriebene Lobbyisten und schlachterprobte Kongressabgeordnete. An den Wänden hingen alte Gemälde, die Cowboys, Indianer und Landschaften im Westen zeigten und natürlich den Gründungsmythos eines unabhängigen Amerika: George Washington bei der Überquerung des Delaware. Es fehlten eigentlich nur noch ein Spucknapf und der Geruch von erkaltetem Zigarrenrauch, und man hätte sich in das Weiße Haus zur Zeit Abraham Lincolns zurückversetzt gefühlt.
    Die Berichterstatter der Geheimdienste betraten das Weiße Haus allerdings nie über den Haupteingang. Sie benutzten üblicherweise eine Seitentür in der kleinen Straße zwischen dem Westflügel und dem Gebäudetrakt, der früherdas Executive Office beherbergt hatte. Entweder kamen sie mit dem Wagen aus Langley oder zu Fuß aus der streng geheimen Nachrichtendienstzentrale in der F Street. Ihr Ziel war meistens die unterirdische Operationszentrale oder ein anderer der mit Elektronik vollgestopften Bunkerräume im Keller. Die Abgesandten der CIA gehörten zu einem anderen Weißen Haus, einem, das nichts mit Spucknäpfen und Zigarren zu tun hatte und ein Produkt des nach weltweiter Hegemonie strebenden Amerika nach 1945 war. Sie gingen durch die Hintertür ein und aus, ohne dass die Politiker und Bittsteller in der Eingangshalle des Westflügels etwas davon mitbekamen.
    Sie trafen kurz vor neunzehn Uhr ein. Der Direktor trug seine blütenweiße Sommeruniform mit den goldenen Admiralssternen und den vielen bunten Ordensbändern, in der er sich ganz offensichtlich genauso wohl fühlte wie ein Schauspieler im richtigen Kostüm. Arthur Fox und Harry Pappas, die ihm auf dem Fuß folgten, trugen dunkle Anzüge – von denen ersterer frisch gebügelt und maßgeschneidert, letzterer verknittert und von der Stange war.
    Der Präsident gab oben im Gelben Salon einen Cocktailempfang für ein paar Kongressabgeordnete und deren Ehefrauen. Wie man sich erzählte, mochte der Präsident diese gesellschaftlichen Anlässe nicht, aber er brauchte nun einmal die Stimmen der Abgeordneten. Die drei Abgesandten der CIA hatten vor, zunächst Stewart Appleman, den nationalen Sicherheitsberater, zu informieren, der dann, wenn er es für nötig erachtete, den Präsidenten dazubitten sollte.
    Sie stiegen eine Treppe hinauf in den ersten Stock und folgten einem schmalen Flur bis zu Applemans Büro. Dortwartete bereits der Verbindungsmann vom Nationalen Sicherheitsrat, sodass das winzige Vorzimmer mit ihnen zusammen brechend voll war. Schließlich öffnete sich die Tür, und der Berater blickte seinen Besuchern fragend entgegen.

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