Der Einsatz
Schlag kreidebleich. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
«Eva war Deutsche», widersprach er. «Ich habe ihren Vater kennengelernt. Er war Geschäftsmann.»
«Und Israeli. Und zwar einer mit zwei Pässen. Ein Agent des Mossad.»
«Woher wollen Sie das wissen? Das muss ein Irrtum sein. Warum hat man mich denn nicht gleich nach meiner Rückkehr zu ihm befragt?»
«Weil wir es damals noch nicht wussten. Aber heute wissen wir es. Wir haben unsere Leute im deutschen Geheimdienst. Was die können, können wir schon lange. Wir geben uns vor ihnen als Amerikaner aus, manchmal sogar als Israelis. O ja. Wir sind überall.»
«Großer Gott! Was haben die Ihnen erzählt? Was wissen Sie über Eva?»
«Dass sie am Max-Planck-Institut gearbeitet hat, genau wie Sie. Mit dem kleinen Unterschied, dass Eva die Aufgabe hatte, nach jungen iranischen Studenten Ausschau zu halten, die man später einmal verwenden konnte. Nach Studenten, die sich in Deutschland einsam fühlten. Die mit einer Deutschen ins Bett wollten. Der Bundesnachrichtendienst hat sie observiert, ihre Post gelesen und ihr Telefon überwacht. Es hat uns Jahre gekostet, an die Akte heranzukommen, aber jetzt haben wir sie. Und in der Akte stehen die Namen einiger Iraner. Leider ist auch Ihrer darunter.»
Der junge Wissenschaftler versuchte die Fassung zu bewahren. Jetzt wusste er, was sein «Verbrechen» war. Es würde alles wieder gut werden. Er hatte Eva nichts erzählt, geschweige denn ihrem Vater. Er hatte den Kontakt abgebrochen und sich damit genau so verhalten, wie man es von einem Diener der Revolution erwartet. Der Verhörbeamte wartete immer noch auf eine Antwort.
«Ich habe Ihnen alles erzählt, Bruder Inspektor. Und ich habe nichts verschwiegen, weil es nichts zu verschweigen gibt. Bevor ich nach Deutschland ging, hat mich mein Vater vor den ausländischen Spionen und ihren Tricks gewarnt, und Ihre Leute haben das auch getan. Vor meinem Aufenthalt, während meines Aufenthalts und nach meinem Aufenthalt. Deshalb war ich besonders vorsichtig und habe mich nicht mit deutschen Mädchen eingelassen.»
«Wer ist Hans?»
Der junge Mann rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. Wieder trat ihm Schweiß auf die Stirn.
«Wer ist Hans?», wiederholte der Untersuchungsbeamte. «Wir wissen, dass Eva Botschaften von einem gewissen Hans erhalten hat, aber wir glauben nicht, dass dieser Hans wirklich existiert hat. Wir glauben, dass es ein Deckname war.»
Der Magen des jungen Wissenschaftlers verkrampfte sich, und ein Zittern lief durch seinen Körper. Lügen war zwecklos, sie wussten es. Aber wenn das sein einziges Verbrechen war, würde er überleben.
«Ich war Hans», sagte er.
«Wenn die Beziehung zu dieser Eva wirklich so unschuldig war, wie Sie behaupten, weshalb haben Sie dann einen Decknamen verwendet?»
Wie sollte er das erklären? Die Wahrheit war ihm fast peinlich. «Hans» war der Name, den er sich selbst gegeben hatte, als er nach Heidelberg gekommen war. Anfangs war das eine Art Selbstschutz gewesen, weil er sich für seine große Nase geschämt hatte und für seine wilden schwarzen Haare, die immer fettig aussahen, ganz gleich, wie oft er sie wusch. Er wollte kalte blaue Augen und eine glatte, blasse Haut haben wie die deutschen Studenten und nicht mehr in seinem eigenen Körper gefangen sein, diesem behaarten, orientalischen Affenkörper. Und er hatte eines dieser vollbusigen deutschen Mädchen haben wollen, von deren Anblick er selbst an seinem Arbeitsplatz in der Bibliothek einen Ständer bekam. Er hatte sich unwohl in seiner Haut gefühlt, deshalb war er in seiner Phantasie in die Haut eines anderen geschlüpft, den er «Hans» nannte.
«Weil ich mich geschämt habe, ein Iraner zu sein», erklärte er nun kleinlaut. «Also habe ich mir einen deutschen Namenfür mich ausgedacht. Eva fand das lustig, deshalb habe ich meine Briefe an sie mit Hans unterschrieben. Ich wollte ihr eine Freude machen, damit sie mich mag.»
Der Untersuchungsbeamte schüttelte den Kopf. «Diese Geschichte ist völlig absurd, Herr Doktor. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie auch wahr ist.»
Mehdi Esfahani führte sein Verhör noch zwei Stunden lang fort. Er befragte den jungen Wissenschaftler über seine Treffen mit Eva und wollte wissen, was sie ihn dabei gefragt hatte. Der junge Mann musste ihm so oft erzählen, wie er sich von Eva abgewandt hatte, bis er schließlich gestand, dass er irgendwie doch Angst gehabt hatte, sie könnte eine Spionin sein. Sein
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