Der Einzelgänger
logisch. Und wiederum macht es mir schwer zu schaffen. »Willst du damit sagen, dieser...« - ich suche nach dem Namen - »... dieser Schräge... Willst du mir wirklich erzählen, daß er einen Zug Soldaten hat, den er an jeden Interessenten vermietet?«
»Nicht an jeden«, korrigiert mich Argent. »Er wird sehr wählerisch sein, wessen Kreds er nimmt. Wahrscheinlich nicht aus ethischen oder moralischen Gründen, aber ich bin sicher, daß die Zahlungsfähigkeit des Kunden ein ganz entscheidendes Kriterium ist. Und auch die Frage, ob er es tun kann, ohne in Erscheinung zu treten.«
»Ja, ja, k'dr«, knurre ich ungeduldig, »wie auch immer. Hat er jetzt den Zug oder nicht?«
»Nicht, daß Peg wüßte«, erwidert der Runner. »Der Seattier Abteilung für Militärverbindung sind offiziell etwa sechzig Namen zugeordnet, aber ich glaube nicht, daß sie den gleichen Ausbildungshintergrund haben wie die Burschen in Washington. Ich würde sagen, die meisten von ihnen sind Manager...« Er hält inne, da ihm offenbar ein anderer Gedanke kommt. »Vielleicht kannst du das bestätigen, Wolf.«
»Wie?«
»Vielleicht, indem du zumindest einige der Namen einordnen kannst. Ich sage Peg, sie soll eine Liste beschaffen.« Und genauso abrupt schaltet er wieder um. »Also lautet die Antwort, nein, er scheint diese Art von Truppe noch nicht beisammen zu haben.« Er zuckt die Achseln. »Vielleicht dauert es über ein Jahr, um eine Privatarmee aufzustellen.«
»Nein«, sage ich leise. Argent sieht mich fragend an. »Nein«, wiederhole ich ein wenig lauter, aber immer noch mehr zu mir selbst als an ihn gewandt. »Ich glaube nicht, daß es das ist.«
»Was dann?«
»Vielleicht geht er einen anderen Weg«, denke ich laut, da die Ideen für mich ebenso neu sind wie für Wolf. Es ist, als hörte ich einem anderen Teil meiner selbst zu, ganz tief in meinem Unterbewußtsein, der sich den ganzen Drek bereits überlegt hat, und jetzt wiederhole ich für den Shadowrunner nur das, was dieser Teil sagt. Es ist ein verdrehtes, schizophrenes Gefühl, und ich hoffe, mein Unterbewußtsein läßt das nicht zur Gewohnheit werden.
»Was meinst du damit, Wolf?« hakt der Runner nach.
»Ich weiß nicht genau«, gebe ich zu. »Aber wenn ich irgendeine verdammte Armee aufstellen und das vor der Öffentlichkeit geheimhalten wollte, würde ich das auf keinen Fall in Seattle tun. Viel zu klein, Priyatel, das kannst du mir glauben.« Hört sich witzig an, den Sprawl als klein zu bezeichnen, aber für Drek wie diesen ist er das.
Argent schüttelt den Kopf. »Das sehe ich nicht«, verkündet er. »Andere Konzerne haben Privatarmeen in und um den Plex herum, und kein Mensch regt sich darüber auf.«
»Das ist was anderes, Argent. Hier geht es um Lone Star.«
»Einen Konzern, der sich, wie wir alle wissen, ach so sehr von allen anderen Megakonzernen unterscheidet«, höhnt er fast.
»Nein, er unterscheidet sich nicht«, gebe ich schweren Herzens zu. »Aber, um Himmels willen, glaubt Lieschen Müller auf den Straßen Bellevues, daß sich der Star von MCT oder Fuchi unterscheidet? Du kannst deinen Arsch darauf verwetten, sie tut es, Chummer. Der Star sind die Cops. MCT ist ein Megakonzern. Es gibt einen verdammt großen Unterschied in der Art und Weise, wie sie angesehen werden, wie sie von den Nachrichtenmedien behandelt werden... in allem.« Ich funkle ihn an, und er versteht, was ich nicht in Worte kleiden werde: So habe ich es immer gesehen, Priyatel, und ich hatte viel eher die Möglichkeit, die Wahrheit zu durchschauen, als der Durchschnittsbürger. Aber habe ich die Wahrheit durchschaut? Fehlanzeige.
Ein paar Sekunden lang rührt er sich nicht. Überhaupt nicht. Er blinzelt nicht einmal. Dann nickt er widerwillig. Er begreift die Logik dessen, was ich ihm sage, scheint aber nicht bereit zu sein, sie zu akzeptieren. Ihm gefällt das, was ich bin und wofür ich stehe, nicht mehr, als er mir gefällt. Ich würde lieber mit Giftmüll gurgeln, als irgendwas, das er sagt, widerstandslos akzeptieren, warum sollte es bei ihm anders sein? »Lone Star tut es in Washington und Atlanta«, stellt er fest, aber nicht sehr nachdrücklich.
»Ja, aber eben in Washington und Atlanta«, kontere ich sofort. »Beides sind Hauptstädte mit allem, was das impliziert. Mehr Konzernpräsenz als in Seattle und damit auch mehr Privatarmeen. Wer wird da schon groß auf eine Privatarmee mehr achten?«
Dann kommt mir ein ganz neuer Gedanke. »Außerdem soll die Abteilung doch mit
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