Der Einzelgänger
Ordnung?« fragt Argent.
Ich erwäge, seine Hand abzuschütteln, doch nachdem sich alles um mich dreht, entscheide ich mich dagegen. »Alles klar«, sage ich zu ihm, und wir wissen beide, daß es sich um eine dieser kleinen Notlügen handelt. Während ich noch darauf warte, daß sich mein Hirn und das Gesetz der Schwerkraft darüber einig werden, wo unten ist, sehe ich mir das Tor an.
Nur um festzustellen, daß kein Tor mehr da ist. Team Baker und der größte Teil von Team Able sind bereits hindurch, und über das Klingeln in meinen Ohren höre ich das Knattern automatischen Feuers aus der Anlage. Eine typische Situation - die Sturmtruppen haben sich längst ins Getümmel gestürzt, während ihr angeblicher ›Anführer‹ sich noch außerhalb des Schlachtfelds bemüht, alles, sich selbst eingeschlossen, auf die Reihe zu kriegen. Ich hebe mein Sturmgewehr auf - das ich fallengelassen habe - und halte es eher nachlässig vor dem Bauch. »Dann mal los«, sage ich zu Argent. Und gemeinsam traben wir vorwärts.
Auf der anderen Seite des nicht mehr vorhandenen Tores liegen ein paar Leichen - oder vielmehr das, was nach der Explosion des Dronen-Sprengkopfs noch von ihnen übrig ist. Zumindest unterscheidet sich unsere Panzerung von der des Feindes, und so weiß ich immerhin, daß es sich bei den Gefallenen um NVC Leute handelt.
Innerhalb der an ein Gefängnis erinnernden Mauern entspricht die Anlage ungefähr dem, was ich nach Ansicht des Videos, das wir aus Ravens Vogel aufgenommen haben, erwartet habe. Vier größere Gebäude, die einen quadratischen Platz mit einer Handvoll kleine rer Gebäude einschließen. Als wir das Gelände der ei gentlichen Anlage betreten, sind in unserer Umgebung ein halbes Dutzend Feuergefechte im Gange. Die noch verbliebene Wandjina-Drone hat ihre Überflüge eingestellt, weil der Rigger keine Möglichkeit hat, Freund und Feind zu unterscheiden. Sie ist jedoch noch am Kampf beteiligt und beharkt die Wachtürme (oder worum es sich sonst dabei handelt) an den vier Ecken mit Autofeuer, um der Möglichkeit vorzubeugen, daß die in den Türmen installierten Waffen so ausgerichtet werden können, daß sie das Innere der Anlage bestreichen. Kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor, aber mir fällt im Moment auch keine effektivere Möglichkeit ein, die Munition der Drone zu verpulvern.
Angriffsteam Baker ist ausgeschwärmt und beschränkt sich im wesentlichen darauf, alles niederzumähen, was sich bewegt. Meine Kameraden vom Team Able tun praktisch das gleiche, wenn man von den vier leichter bewaffneten Deckern absieht, deren Aufgabe darin besteht, den Computer des Laborkomplexes zu finden, in ihn einzubrechen und alles zu kopieren, was ihnen unter die elektronischen Finger kommt. (Es ist schon blöde, daß Lynne Telestrian keine genauen Informationen darüber besaß, in welchem Gebäude der Computer untergebracht ist, aber solche Schnitzer passieren eben.) Als Anführer besteht meine Aufgabe im wesentlichen darin, den Überblick über die Vorgänge zu behalten und mich dabei nicht geeken zu lassen. Offenbar hat Argent es sich zur Aufgabe gemacht, den Leibwächter für mich zu spielen, was mir nur recht sein kann. Im Moment bin ich irgendwie ratlos. Ich laufe herum wie ein unnützer Idiot und versuche mir irgendwie darüber klar zu werden, welche Richtimg ich einschlagen soll.
Ich beschließe, nach links zu gehen, auf das anscheinend größte Gebäude zu, in dem und um das herum auch am meisten geschossen wird. Ich ändere meine Laufrichtung, und Argent hat alle Mühe, mir auszuweichen und nicht über mich zu stolpern.
Aus dem Augenwinkel nehme ich Bewegung wahr. Einen schrecklichen Moment lang bin ich wieder in dem Tsarina und fahre durch Montlake. Bewegung links über mir auf dem Dach eines der kleineren Gebäude. Dann bin ich wieder in der Gegenwart. Ohne nachzudenken, lasse ich mich auf ein Knie sinken und lege das Sturmgewehr an. Die Verbindung zwischen der Elektronik in meinem Kopf, der Smart-gun in meiner Hand und den Schaltkreisen der Rüstung zaubert die Perspektive des Zielgeräts meines Sturmgewehrs auf den HUD. Eine einzelne Gestalt in einer leichten Rüstung, die sich von der Ausrüstung meiner Leute unterscheidet. Sie schwingt herum, als hätte sie mich auch gerade gesehen, und legt mit irgendeiner Waffe an. Das tschechische Sturmgewehr und der neue Chip in meinem Kopf - den Lynne Tele-strian zur Verfügung gestellt hat - synchronisieren sich, und ich drücke ab.
Die Tech lenkt
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