Der Einzelgänger
daß dies ein Gegner ist.
In diesem Augenblick bemerkt er mich aus dem Augenwinkel. Unmenschlich schnell wirbelt er herum und schießt. Den Göttern sei Dank, seine Zielsicherheit ist nicht annähernd so aufgepeppt wie seine Reflexe. Sein Feuerstoß liegt zu hoch, reißt Betonbrocken aus der Decke und läßt hinter uns Querschläger durch den Flur jaulen. Einen Augenblick später drücke ich ebenfalls ab - und diesmal halte ich tiefer, als es mir der Chip in meinem Kopf sagt, und lasse den Kugelhagel langsam aufwärts und in seinen Körper wandern.
Oder versuche es zumindest. Seine aufgepeppten Reflexe setzen wieder ein, und er ist so schnell zurück durch die Tür, daß im Vergleich dazu mein Versuch, meinen Feuerstoß aufwärts wandern zu lassen, wie ein bedächtiges Schlendern wirkt. Neben und hinter mir jagt Argent mit der Panther eine Granate durch die offene Tür. Der Explosionsblitz blendet sogar den Blitz-kompensator des HUD, und die in dem engen Flur übermäßig starke Druckwelle peinigt meine Trommelfelle. Über das Explosionsgeräusch hinweg höre ich einen Schmerzensschrei. Argent hat jemanden erwischt. Den Burschen mit der Uzi? Unmöglich festzustellen, ebenso unmöglich, wie mit Sicherheit zu wissen, daß er außer Gefecht ist. Unmöglich, außer man geht hin und sieht nach. Ich setze mich wieder in Bewegung.
In der unteren rechten Ecke des HUD blinkt eine Nachricht auf. Ich bedeute Argent zu warten und schalte die Funkfrequenz ein, die mich mit einem unserer ›Beobachter‹ verbindet, einem Rigger, der sich den Spaß durch die Kameras unserer Condor-Stealth-Dro-nen ansieht.
»Angriffsführer«, melde ich mich.
»Auge Eins. Wir haben einen Ausbruch, Angriffsführer.« Die Stimme der Frau klingt entweder gelangweilt oder betrunken, aber ich weiß, daß sie keins von bei-dem ist. Ihre schleppende Sprechweise muß auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß sie ihre Aufmerksamkeit so vielen verschiedenen Aufgaben gleichzeitig widmen muß, daß eine korrekte Redeweise auf ihrer Prioritätsliste augenblicklich ganz unten steht. »Vier Personen zu Fuß. Ich weiß nicht, woher sie gekommen sind, sie sind ganz plötzlich aufgetaucht. Vielleicht Magie.«
»Wo?«
»Unten an den Docks«, antwortet sie.
Die Boote. Ja, das klingt logisch. Da der Weg landeinwärts durch unsere Bodentruppen versperrt und der Himmel im Moment die Hölle ist, bleibt nur noch der Fluß als potentieller Fluchtweg.
»Bewaffnet?«
»Keine schweren Waffen zu sehen«, sagt die Frau. »Einer trägt eine Rüstung, alle anderen normale Kleidung. Möglicherweise sind es Konzernpinkel.«
»Verstanden«, bestätige ich und schalte ab. Konzernpinkel, ja? Ich will sie haben. Ich wende mich Argent zu, um es ihm zu sagen, doch er ist bereits unterwegs zurück nach draußen. Er muß das Gespräch mitgehört haben. Um so besser.
Für einen großen Mann bewegt sich Argent wie ein verdammter Sprinter, wenn er will, und es fällt mir verdammt schwer, mit ihm mitzuhalten. Während wir durch die Anlage rennen, hat es den Anschein, als ließen die Kämpfe langsam nach. Dann wird mir das Gegenteil bewiesen, als auf der anderen Seite der Anlage ein magischer Feuerball inmitten einer Gruppe meiner Leute explodiert. Sie gehen zu Boden wie Kegel - betäubt und verwundet, aber nicht geröstet, wie es der feindliche Magier offenbar angestrebt hat. Die wenigen Kampfmagier in unserer Truppe verdienen sich ihren Sold offenbar, indem sie uns andere mit einem wirksamen magischen Verteidigungsschild umgeben. Ich kann nicht bleiben und abwarten, wie die Sache ausgeht. Argent rennt bereits durch das klaffende Tor, wobei er die verdrehten Leichen davor einfach überspringt.
Eines der Boote an den Docks fehlt - der Samuvani-Criscraft Otter. Ein rascher Rundumblick verrät mir, daß das Boot sich bereits hundert Meter vom Ufer entfernt hat und gerade auf die Tube drückt, da das Heck tief im Wasser liegt und ein beachtliches Kielwasser erzeugt. Ich sehe, wie Argent die Sturmkanone anlegt, aber ich bringe noch rasch ein »Nein!« heraus, bevor er schießen kann. Er wirft mir einen zweifelnden Blick zu, und ich sage zu ihm: »Ich will sie lebend. Hör mal nach, ob du Luftunterstützung bekommen kannst.«
Er denkt einen Augenblick darüber nach, dann nickt er brüsk und macht sich an seiner Funkanlage zu schaffen. Währenddessen will ich mich daran machen, die Leinen von dem Aztech Nightrunner loszumachen.
Als ich mir das Boot genauer ansehe, halte ich jedoch
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