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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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anzusetzen, fühle ich mich wie ein Tiger im Käfig. Ich muß etwas tun - irgendwas. Ich gehe die Treppe hinunter, die zu einem der Hinterzimmer des Lochs in der Wand führt, und sehe mich nach etwas um, das meinen Geist beschäftigt und mir die Zeit vertreibt. Ich sehe mich immer noch in dem Büro danach um, wo ich mich mit Argent getroffen habe, als ich höre, wie sich die Tür hinter mir öffnet.
    Ich ziehe die H&K und wirble geduckt herum ...
    Und sehe die mürrische alte Kuh von einer Orkfrau im Fadenkreuz, die gestern hinter der Bar gestanden hat. Laut Argent ist sie die Besitzerin dieses Ladens und heißt Jean Trudel.
    Wenn es Trudel nervt, in die Mündung einer Knarre zu starren, ist sie zu abgebrüht, um es zu zeigen. Sie funkelt mich nur mit ihren ungleichen Augen an und schnaubt. Ich weiß nicht, ob dieser Laut Verachtung oder Belustigung oder beides ausdrücken soll, und will es eigentlich auch gar nicht wissen.
    Ich versuche mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen und mache eine ziemliche Schau daraus, die Waffe zu sichern, sie ins Halfter zurückzuschieben und mich zu erheben. »Du hast mich erschreckt«, sage ich.
    Sie stößt einen widerlich asthmatischen Laut aus, den ich versuchsweise als Lachen identifiziere. »Großer Mann mit seiner kleinen Kanone«, gluckst sie. »Einsamer Wolf, was?«
    Ich brauche mir diesen Drek nicht anzuhören. Ich gehe direkt an ihr vorbei zur Tür, ohne ihr auch nur einen Blick zu gönnen. Ich bin fast aus dem Büro heraus, als sie sagt: »Willst du 'n Wagen?«
    Das läßt mich innehalten, was sie auch gewußt hat. Ich drehe mich langsam um. Sie lächelt und gewährt mir dabei einen besseren Blick auf ihre gelblichen, angeschlagenen Hauer, als mir im Moment lieb ist.
    »Argent sagte, du würdest 'n Wagen wollen«, sagt sie, und mein harter Blick läßt sie ebenso kalt wie zuvor die H&K. Zähe alte Schachtel - entweder das oder sie ist zu dämlich, um zu wissen, wann es clever ist, Angst zu haben.
    »Hat er?«
    »Überrascht mich, daß du so verdammt lange gebraucht hast.«
    Ich beschließe, ihr das durchgehen zu lassen und mitzuspielen. »Wo?« frage ich.
    Sie hat eine Hand tief in einer Tasche ihres ausgebeulten Overalls vergraben, und jetzt zieht sie sie heraus. Ich muß mich gegen die Elektronik wehren, um nicht meine Waffe zu ziehen, und betrachte statt dessen ihre Hand. An ihrem fleckigen und vernarbten Zeigefinger hängt ein Schlüsselring mit einem elektronischen Codeschlüssel. »Steht draußen vor der Tür«, sagt sie.
    Im Vorbeigehen schnappe ich mir den Schlüssel. Sie kichert, und bei dem Geräusch dreht sich mir der Magen um. »Er ist rot«, sagt sie hilfsbereit zu meinem Rücken.
    »Damit er zu deinen verdammten Augen paßt«, murmle ich in mich hinein. Ihr Gehör ist offensichtlich besser, als es von Rechts wegen sein dürfte, denn sie lacht bellend. Zum Teufel mit ihr. Und zum Teufel auch mit Argent, weil er gewußt hat, daß ich mich würde umtun wollen, und weil er Trudel eingeweiht hat. Würde ihnen beiden recht geschehen, wenn ich ihren Wagen nähme, über die Grenze nach Norden düste -der Norden hat mir schon immer gefallen - und die Karre in, sagen wir, Vancouver verkaufte, um zu meinem Startkapital zu kommen. Sollen sich doch Lone Star, Timothy Telestrian, Cousine Lynne, die Cutters und die Shadowrunner von Seattle gegenseitig in den Arsch treten, bis sie bluten. Netter Tagtraum, aber jeder weiß, ich werde ihn nicht in die Tat umsetzen.
    Die Trudel-Hexe hat die Wahrheit gesagt: Der Wagen ist rot und steht vor dem Haus. Direkt vor dem Haus auf einem Taxi-Standplatz. Entweder kann jemand meine Handlungen viel besser vorhersagen, als mir lieb ist - alles spricht für Argent -, oder ich werde überwacht, elektronisch, magisch, in Fleisch und Blut - oder alles zusammen. Ich kann nicht gerade behaupten, daß mir eine dieser Möglichkeiten gefällt. Der Wagen reicht jedoch, damit ich mich ein wenig besser fühle. Es ist ein Eurocar Westwind 2000, das 2054er Modell. Ein Cabriolet, was bedeutet, er hat den Turbomotor und das Sportfahrwerk. Knapp 150 K Nuyen wert - und irgendwie habe ich das Gefühl, daß Argent die verdammte Karre nicht geklaut, sondern gekauft hat. Wieder einmal muß ich feststellen, daß ich mit meiner Vorstellung von Shadowrunnern nicht auf dem laufenden zu sein scheine.
    Ich drücke auf den Codeschlüssel und höre, wie sich die Türen öffnen und der Motor - glatt wie Seide und wie Musik in meinen Ohren - sofort anspringt. Ich

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