Der Einzelgänger
überprüft...«
»Nur um festzustellen, daß Timothy dort ebenfalls den Fuß in der Tür hatte«, beende ich den Satz für ihn.
»Bingo. Nicht weit genug, um Timothy die totale Kontrolle zu geben, doch immerhin so weit, daß Daddy selbst nicht mehr die vollständige Kontrolle besaß. Er war daraufhin wohl etwas genervt.«
»Kein Wunder.« Ich denke einen Augenblick nach und nicke dann. »Okay, also ein Kampf um Macht und Einfluß zwischen Vater und Sohn. Wo steht Cousine Lynne?«
»Voll und ganz auf James' Seite. Tatsächlich ist sie seine rechte Hand und, wenn man so will, sein Kriegshäuptling. James hat entweder Besseres zu tun oder hält Lynne für fähiger als sich selbst, diese Art Drek zu handhaben. Sie ist sein Erzengel Michael, der Timothys Raubzügen Einhalt gebietet.«
»Was für Raubzüge?«
Argent zuckt wieder die Achseln. »Kämpfe um Einfluß und Vollmachten, wie ich schon sagte. Einschüchterung von Aktionären, Unterbieten von Kontrakten...« Er deutet mit einem metallenen Finger auf eine bestimmte Textstelle auf dem Schirm. »Ja, da ist es. Als einer der ältesten Elfen überhaupt hat James Telestrian einen megamäßigen Ruf in Tir, den er ausgeschlachtet hat, um die Situation der Geschäftswelt in Tir zumindest teilweise einzufrieren. Das bedeutet, wenn Timothy seinen Marktanteil vergrößern will - und glaub mir, das will er -, muß er das außerhalb von Tir tun.« Er sieht mich erwartungsvoll an.
Ich nicke. Ja, es ergibt einen Sinn, nicht wahr? »Und da in der Liebe und im Krieg alles erlaubt ist, hatte er keine Skrupel, sich mit den Cutters einzulassen, wenn es ihm in den Kram paßte.« Dann kommt mir ein anderer Gedanke. »Hast du ein Bild von Lynne?«
Er blinzelt, dann tippt er ein Kommando ein. Ein Bild erscheint in einem Fenster. Lange, hinter den Ohren zusammengebundene blonde Haare. Kalte grüne Augen. Distanzierter, fast arroganter Gesichtsausdruck. »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Lynne Tele-strian«, sage ich ruhig. »Zum zweitenmal.«
»Die Elfenschnalle?«
»Das ist sie.« Ich halte inne. »Es sei denn, jemand hat sie magisch verkörpert...« Dann schüttle ich mit einem verächtlichen Schnauben den Kopf. »Nee, das wäre einfach zu kompliziert, zu paranoid.«
Argent mustert das Bild auf dem Schirm. »Lynne Te-lestrian. Interessant.« Jetzt schaut er wieder in meine Richtung. »Und was sagt uns das?« fragt er.
Ich antworte nicht sofort. Es sagt mir ein paar Dinge, aber ich weiß nicht, warum, zum Teufel, ich das einem verdammten Shadowrunner mitteilen sollte. Dann schüttle ich den Gedanken ab. Er hat mich fair behandelt - bis jetzt, füge ich hinzu -, und es gibt keinen Grund - wiederum bis jetzt -, warum ich nicht auch fair zu ihm sein sollte. Sein Blick ruht stetig auf meinem Gesicht, und nicht zum erstenmal habe ich das Gefühl, daß er eine viel zu gute Vorstellung von dem hat, was mir im Kopf herumgeht. Ich breche den Augenkontakt ab und mustere angestrengt das Bild der Elfe. »Es sagt uns, daß wir der Timothy-Telestrian-Connection mehr Vertrauen schenken können«, sinniere ich. »Was hätte Lynne davon, uns auf eine Verbindung zwischen Timothy und Seattle anzusetzen, die nicht existiert?«
Argent nickt zustimmend. »Sonst noch was?«
»Vielleicht.« Wie hat Argent sie noch genannt? »Wenn sie James Telestrians Erzengel Michael ist, bedeutet das, daß die Seattle-Connection wichtig ist - und zwar für beide Seiten -, ansonsten würde sie nicht ihre Zeit damit verschwenden, mich herumzuschubsen.« Ich zucke die Achseln. »Das ist alles.«
»Da ist noch etwas«, sagt der Shadowrunner leise. »Du bist wichtig, Wolf.«
Mein Kopf ruckt so schnell herum, daß ich mir fast den Hals verrenke. »Häh? Schwachsinn.« Das Wort rutscht mir heraus, bevor mir klar wird, daß es gar nicht so schwachsinnig ist.
»Es ist die gleiche Logik«, sagt Argent mit Nachdruck und bestätigt damit noch einmal, was mir soeben selbst aufgefallen ist. »Du mußt wichtig sein, sonst hätte sie ihre Zeit nicht damit verschwendet, dich herumzuschubsen. Sie würde dich ignorieren oder geeken. Aber sie hat nichts von beidem getan.«
»Ja«, stimme ich widerwillig zu. »Na schön. Aber warum?«
»Ich würde sagen, du solltest einiges Gehirnschmalz investieren, das herauszufinden«, sagt der Runner. »Sie muß davon ausgehen, daß du irgendwas weißt - oder etwas tun kannst -, das Timothy die Tour vermasseln könnte, die er hier im Plex laufen hat. Irgendwelche Ideen?«
Welche
Weitere Kostenlose Bücher