Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
viel hinzuzufügen. Héctor und Lola warfen einen raschen Blick in die anderen Räume des Hauses, und nachdem sie sich bei Frau Vinyals bedankt hatten, stiegen sie wieder ins Auto. Bevor sie zurückfuhren, wollte Héctor die Korkeiche sehen. Auch ohne Hunde. Und vor allem wollte er seine Gedanken ordnen und einen Schluss aus der ganzen Sache ziehen.
34
Zum ersten Mal in seinem Leben freute sich César, Sílvias Wohnung zu betreten, ohne dass sie da war. Es war nicht der Tag, an dem er sonst immer kam, aber am Abend zuvor war er so müde von seinem Besuch bei Octavi zurückgekehrt, dass er direkt nach Hause fuhr. Er musste nachdenken, alles analysieren.
César trat hinein und drückte die Tür zu. Er wusste es nicht, aber er ahnte, dass Emma da war, und ging gleich zu ihrem Zimmer. Seit dem letzten Sonntag hatte er sie nicht gesehen, jenem unbehaglichen Tag voller Schweigen und der Erinnerung an das, was in der Frühe passiert war. César hatte nicht ganz gelogen, als er Brais sagte, er würde die Gewissensbisse eher ausspucken als zulassen, dass sie wie Unkraut in ihm wucherten. Doch die Situation war heikler geworden. Er war nicht gerade gewandt im Umgang mit Menschen, aber er musste einen Weg finden, Emma dazu zu bringen, dass sie den Mund hielt.
Die Tür ihres Zimmers stand offen. Emma saß vor ihrem Computer und schien vertieft in das, was sie auf dem Bildschirm hatte, vielleicht chattete sie mit einer Freundin. Er klopfte an, war auf einmal nervös. Sie bemerkte sein Spiegelbild und schaute sich um, langsam, in ihrem Gesicht ein Ausdruck von leiser Verärgerung.
»Du hier? Heute ist nicht Dienstag.«
César fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Der Tonfall dieser Jugendlichen verwirrte ihn. Als wäre nichts geschehen.
»Emma, können wir miteinander reden?«
Sie grinste in sich hinein, fest entschlossen, weiter eine Gleichgültigkeit zu zeigen, die sie amüsierte. Bereit, die Erwachsene zu sein in einer Welt großer Kinder. Sie schloss das Chatfenster und drehte sich auf dem Stuhl, die Beine leicht gespreizt.
»Natürlich. Wie du möchtest.« Sie lächelte. »In ein paar Monaten bist du ja so etwas wie mein Vater.«
César hasste diese Pose eines perversen Mädchens. Er hatte sie wie eine Frau behandeln wollen, und jetzt stand er vor der plumpen Version einer modernen Lolita.
»Emma, hör auf mit dem Unsinn. Ich meine es ernst.«
»Ach, was habe ich denn jetzt wieder getan?«
Emma schloss die Beine und verschränkte die Arme. Sie wusste, dass er ihr am liebsten das Lächeln aus dem Gesicht schütteln würde, und die Vorstellung reizte sie.
»Na schön, dann sag … Ich bin nämlich beschäftigt. Und du solltest um die Zeit auch bei der Arbeit sein. Von Mama kriegst du einen Punkt Abzug, wenn du so früh aus dem Lager kommst.«
César fragte sich, ob sie diese demütigenden Worte überlegt wählte oder ob sie ihr spontan in den Kopf kamen. So oder so schaffte sie es, ihn zu beleidigen, vor allem mit der Art, wie sie bestimmte Wörter betonte. Und sie provozierte ihn, forderte ihn zu einem Spiel heraus, das er nicht mitspielen wollte. Nicht mehr. Weder heute noch je wieder.
»Ich will dich nicht lange stören. Nicht dass du hinterher sagst, du hättest wegen mir die Schularbeiten nicht gemacht.«
Sein Ironieversuch zerschellte an dem Umstand, dass sie mit ihren sechzehn Jahren in einem Alter war, in dem sie tatsächlich noch Hausaufgaben hatte. Doch Emma war so nachsichtig, keine Bemerkung zu machen, auch wenn ihre Miene selbst die abfälligste Erwiderung übertraf.
»Ich möchte mit dir über etwas sprechen, was du mir letztens gesagt hast. Zu Sara Mahler.«
César sah mit Befriedigung, wie sie verblüfft schaute,überrascht. Natürlich wollte er nicht nur darüber sprechen, auch wenn er seit dem Tag zuvor, seit dem Gespräch mit Brais im Auto, immer wieder über einen Satz nachgedacht hatte, den der zu ihm gesagt hatte: dass er mit Sílvia jemanden hatte, mit dem er darüber sprechen konnte.
Emma stand auf, als langweilte sie das Thema, und ging zur Tür.
»Willst du wirklich von dieser Sara sprechen?«, fragte sie lächelnd und hob ihre Finger, um seine Wange zu streicheln.
»Ja.« Und in einer Anwandlung, die er sofort bereute, packte er sie am Handgelenk. Ohne ihr wehzutun, nur damit die Liebkosung in der Luft blieb. »Emma, du musst mir sagen, was zum Teufel du gehört hast. Und lüg mich nicht an. Es ist wichtig.«
»Lass los.«
Er hörte nicht auf sie. Im Gegenteil, er drückte
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