Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
ein wenig zu.
»Sprich, Emma!«
»›Sprich, Emma.‹ ›Schweig, Emma.‹ Du bist genau wie Mama. Warum nicht ›Platz, Emma‹? Glaubt ihr, ich bin euer Hündchen?«
César packte sie jetzt an beiden Armen und drückte sie gegen die Wand.
»Sprich, verdammt noch mal.«
Aber diesen Gefallen wollte sie ihm nicht tun, und mit verstellter Stimme sagte sie:
»Sara. Die treue Sara. Wir können ihr vertrauen. Sara ist zuverlässig …«
Ihm blieb die Spucke weg, als er Sätze wiedererkannte, die Sílvia und er in der Vertraulichkeit des Schlafzimmers ausgesprochen hatten.
»Man hört alles, César. In Pols Zimmer kriegt man alles mit, und ihm macht es nichts aus, für eine Nacht mit mir zu tauschen.« Sie lachte. »Man hört sogar eure komischen Versuche zu bumsen.«
Er stieß sie erneut, und ihr Kopf knallte gegen die Wand.
»Idiot!«
César war klar, dass er ihr wehgetan hatte. Der Rums hatte in der leeren Wohnung widergehallt, und Emmas Augen füllten sich mit Tränen, ob sie wollte oder nicht.
»Entschuldige«, murmelte er. »Emma, das ist ernster, als du glaubst. Bitte, erzähl mir alles, was du gehört hast.«
»Du hast mir wehgetan.«
»Das war keine Absicht.«
»Was dann?«
Sie standen sich wieder gefährlich nahe, und Emmas Duft zu riechen war wie eine Sucht. Ein einziger Kuss, nur einer noch. Der letzte, versprach er sich.
Ihre Zungen umspielten sich, leckten sich, ihre Lippen trafen aufeinander, während Césars Hände auf ihre Brüste sanken. Ihr Mund öffnete sich, nur eine Sekunde, um wieder zu Atem zu kommen. Um zu stöhnen, weil sie genau wusste, wie sehr es ihn erregte.
Er schluckte ihr Stöhnen mit einem weiteren Kuss, gieriger noch, unbändiger, und beide schlossen die Augen. Sie vergaßen, wovon sie eben gesprochen hatten, wo sie waren, wer sie waren. Sie atmeten nur, küssten sich, berührten sich, rochen einander.
Ohne zu merken, dass sie nicht allein waren.
Sílvia war Minuten zuvor nach Hause gekommen, besorgt über den Drohanruf, den sie nach dem Mittagessen in der Firma erhalten hatte. Dieselbe Stimme, dieselben Geldforderungen. Und während sie die Stimme hörte, hatte Sílvia sich dieses Bild nicht aus dem Kopf schlagen können, Amanda, tot in einem weißen Bett. Kaum hatte sie aufgelegt, war ihr übel geworden, und sie hatte sich auf der Toilette übergeben, alles, das Frühstück, das Mittagessen. Danach war sie zu schwach gewesen, um weiter zu arbeiten. Und jetzt ging es ihr immer noch so schlecht, dass sie, als sie vor dieser Szene stand, für einen Moment glaubte, alles wäre eine Folge des Fiebers, eine Halluzination, ein Albtraum.
Aber so war es nicht. Kein Traum konnte so echt sein. Es waren César und Emma, aus Fleisch und Blut, kurz davor zu ficken, sich küssend, wie seit Jahren niemand mehr sie selbst geküsst hatte, und so einander hingegeben, dass sie sie weder gesehen noch gehört hatten, bis Sílvia, die zu keiner anderen Reaktion fähig war, in Gelächter ausbrach. Und erst bei diesem bitteren, unnatürlichen Lachen hielten die beiden Liebhaber inne. Sie umarmten sich weiter, aber reglos, weigerten sich, die Augen zu öffnen, um nichts sehen zu müssen. Ihnen genügte das Lachen, dieser Regen rostiger Wurfpfeile, der sie an die Wand heftete, als wären sie ein erotisches Foto, ein geschmackloses Poster, schon bald abgenommen, entzweigerissen und in den Müll geworfen.
35
Die Rückfahrt nach Barcelona war sehr viel entspannter als die Hinfahrt am Morgen. Wozu sicher auch beitrug, dass sie irgendwann bei einem Restaurant an der Straße Halt machten und etwas aßen und dass die Schilderungen von Frau Vinyals zwar kaum Gewissheiten gebracht hatten, aber doch eine Reihe von Möglichkeiten eröffneten. Als sie dann wieder ins Auto stiegen, war es schon nach fünf, und Héctor fuhr etwas schneller. Er wollte noch rechtzeitig auf dem Kommissariat sein und mit Fort sprechen, um aus erster Hand zu erfahren, ob es Neuigkeiten gab. Seltsamerweise erlosch die angeregte Unterhaltung, die sie während des Essens geführt hatten, kaum dass er am Steuer saß. Lola schaute zum Seitenfenster hinaus, und er beobachtete sie aus den Augenwinkeln: Sie trug kürzeres Haar, aber abgesehen von diesem Detail hatte sie sich in den sieben Jahren kaum verändert. Sie war immer attraktiv gewesen, auch wenn ihr Stil so anders war als der von Ruth, dass man sich fragen musste, wie derselbe Mann sich in zwei so unterschiedliche Frauen hatte verlieben können.
»Du hast dich kaum
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