Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
daß Du durch Uneigennützigkeit Deinen »wahren Nutzen« Dir verschaffst.
Dir sollst Du nutzen, und doch sollst Du Deinen Nutzen nicht suchen.
Für uneigennützig hält man den Wohltäter der Menschen, einen Francke, welcher das Waisenhaus stiftete, einen O'Connell, der für sein irisches Volk unermüdlich arbeitet; aber auch den Fanatiker , der, wie der heilige Bonifatius, sein Leben für die Heidenbekehrung einsetzt, oder wie Robespierre alles der Tugend opfert, wie Körner für Gott, König und Vaterland stirbt. Daher versuchen unter Andern die Gegner O'Connells ihm eine Eigennützigkeit oder Gewinnsucht unterzuschieben, wozu ihnen die O'Connell-Rente Grund zu geben schien; denn gelänge es, seine »Uneigennützigkeit« zu verdächtigen, so trennten sie ihn leicht von seinen Anhängern.
Was könnten sie indes weiter beweisen, als daß O'Connell auf einen andern als den vorgeblichen Zweck hinarbeite? Ob er aber Geldgewinn oder Volksbefreiung erzielen mag, daß er einem Zwecke, und zwar seinem Zwecke zustrebt, bleibt doch im einen wie im andern Falle gewiß: Eigennutz hier wie da, nur daß sein nationaler Eigennutz auch Andern zu Gute käme, mithin gemeinnützig wäre.
Ist nun etwa die Uneigennützigkeit unwirklich und nirgends vorhanden? Im Gegenteil, nichts ist gewöhnlicher! Man darf sie sogar einen Modeartikel der zivilisierten Welt nennen, den man für so unentbehrlich hält, daß man, wenn er in solidem Stoffe zuviel kostet, wenigstens mit seinem Flitterschein sich ausputzt und ihn erheuchelt. Wo beginnt die Uneigennützigkeit? Gerade da, wo ein Zweck aufhört, Unser Zweck und Unser Eigentum , mit dem Wir als Eigentümer nach Belieben schalten können, zu sein; wo er ein fixer Zweck oder eine – fixe Idee wird, wo er anfängt, Uns zu begeistern, enthusiasmieren, fanatisieren, kurz wo er zu Unserer Rechthaberei ausschlägt und Unser – Herr wird. Man ist nicht uneigennützig, solange man den Zweck in seiner Gewalt behält; man wird es erst bei jenem »Hier steh' ich, ich kann nicht anders«, dem Kernspruche aller Besessenen, man wird es bei einem heiligen Zwecke durch den entsprechenden heiligen Eifer. –
Ich bin nicht uneigennützig, solange der Zweck Mein eigen bleibt, und Ich, statt zum blinden Mittel seiner Vollführung Mich herzugeben, ihn vielmehr allezeit in Frage lasse. Mein Eifer braucht darum nicht geringer zu sein, als der fanatischste, aber Ich bleibe zu gleicher Zeit gegen ihn frostig kalt, ungläubig und sein unversöhnlichster Feind; Ich bleibe sein Richter , weil Ich sein Eigentümer bin.
Die Uneigennützigkeit wuchert üppig, soweit die Besessenheit reicht, gleich sehr auf Teufelsbesitzungen wie auf denen eines guten Geistes: dort Laster, Narrheit usw.; hier Demut, Hingebung usw.
Wohin könnte man blicken, ohne Opfern der Selbstverleugnung zu begegnen? Da sitzt Mir gegenüber ein Mädchen, das vielleicht schon seit zehn Jahren seiner Seele blutige Opfer bringt. Über der üppigen Gestalt neigt sich ein todmüdes Haupt, und bleiche Wangen verraten die langsame Verblutung ihrer Jugend. Armes Kind, wie oft mögen die Leidenschaften an Dein Herz geschlagen, und die reichen Jugendkräfte ihr Recht gefordert haben! Wenn Dein Haupt sich in die weichen Kissen wühlte, wie zuckte die erwachende Natur durch Deine Glieder, spannte das Blut Deine Adern, und gossen feurige Phantasien den Glanz der Wollust in Deine Augen. Da erschien das Gespenst der Seele und ihrer Seligkeit. Du erschrakst, Deine Hände falteten sich, Dein gequältes Auge richtete den Blick nach oben, Du – betetest. Die Stürme der Natur verstummten, Meeresstille glitt hin über den Ozean Deiner Begierden. Langsam senkten sich die matten Augenlider über das unter ihnen erloschene Leben, aus den strotzenden Gliedern schlich unvermerkt die Spannung, in dem Herzen versiegten die lärmenden Wogen, die gefalteten Hände selbst lasteten entkräftet auf dem widerstandlosen Busen, ein leises, letztes Ach stöhnte noch nach, und – die Seele war ruhig . Du entschliefst, um am Morgen zu neuem Kampfe zu erwachen und zu neuem – Gebete. Jetzt kühlt die Gewohnheit der Entsagung die Hitze Deines Verlangens und die Rosen Deiner Jugend erblassen in der – Bleichsucht Deiner Seligkeit. Die Seele ist gerettet, der Leib mag verderben! O Lais, o Ninon, wie tatet Ihr wohl, diese bleiche Tugend zu verschmähen. Eine freie Grisette gegen tausend in der Tugend grau gewordene Jungfern!
Auch als »Grundsatz, Prinzip, Standpunkt« u. dergl. läßt
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