Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
alles im Weltzusammenhange, also durch den Eindruck des um Uns Befindlichen empfangen, mithin als ein »Eingegebenes« haben; denn es ist ein großer Abstand zwischen den Gefühlen und Gedanken, welche durch Anderes in mir angeregt , und denen, welche Mir gegeben werden. Gott, Unsterblichkeit, Freiheit, Menschlichkeit usw. werden Uns von Kindheit an als Gedanken und Gefühle eingeprägt, die kräftiger oder flauer Unser Inneres bewegen, und entweder unbewußt Uns beherrschen, oder in reicheren Naturen zu Systemen und Kunstwerken sich darlegen können, immer aber nicht angeregte, sondern eingegebene Gefühle sind, weil Wir an sie glauben und an ihnen hängen müssen. Daß ein Absolutes sei und dieses Absolute von Uns aufgenommen, gefühlt und gedacht werden müsse, stand als Glaube bei denen fest, die alle Kraft ihres Geistes darauf verwandten, es zu erkennen und darzustellen. Das Gefühl für das Absolute besteht da als ein eingegebenes und kommt fortan nur zu den mannigfaltigsten Offenbarungen seiner selbst. So war in Klopstock das religiöse Gefühl ein eingegebenes, das sich in der Messiade nur künstlerisch verkündete. Wäre hingegen die Religion, welche er vorfand, für ihn nur eine Anregung zu Gefühl und Gedanke gewesen, und hätte er sich ganz eigen dagegen zu stellen gewußt, so ergab sich statt religiöser Begeisterung eine Auflösung und Verzehrung des Objektes. Dafür setzte er im reifen Alter nur seine kindischen, in der Kindheit empfangenen Gefühle fort, und verpraßte die Kräfte seiner Mannheit in dem Aufputz seiner Kindereien.
Der Unterschied ist also der, ob Mir Gefühle eingegeben oder nur angeregt sind. Die letzteren sind eigene, egoistische, weil sie Mir nicht als Gefühle eingeprägt, vorgesagt und aufgedrungen wurden; zu den ersteren aber spreize Ich Mich auf, hege sie in Mir wie ein Erbteil, kultiviere sie und bin von ihnen besessen . Wer hätte es niemals, bewußter oder unbewußter gemerkt, daß Unsere ganze Erziehung darauf ausgeht, Gefühle in Uns zu erzeugen, d. h. sie uns einzugeben, statt die Erzeugung derselben Uns zu überlassen, wie sie auch ausfallen mögen. Hören Wir den Namen Gottes, so sollen Wir Gottesfurcht empfinden, hören Wir den der fürstlichen Majestät, so soll er mit Ehrfurcht, Ehrerbietung, Untertänigkeit aufgenommen werden, hören Wir den der Moral, so sollen Wir etwas Unverletzliches zu hören meinen, hören Wir von dem und den Bösen, so sollen Wir schaudern usw. Auf diese Gefühle ist's abgesehen, und wer z. B. die Taten der »Bösen« mit Wohlgefallen vernähme, der müßte durch die Zuchtrute »gezüchtigt und erzogen« werden. So mit eingegebenen Gefühlen vollgestopft, erscheinen Wir vor den Schranken der Mündigkeit und werden »mündig gesprochen«. Unsere Ausrüstung besteht aus »erhebenden Gefühlen, erhabenen Gedanken, begeisternden Grundsätzen, ewigen Prinzipien« usw. Mündig sind die Jungen dann, wenn sie zwitschern wie die Alten; man hetzt sie durch die Schule, damit sie die alte Leier lernen, und haben sie diese inne, so erklärt man sie für mündig.
Wir dürfen nicht bei jeder Sache und jedem Namen, der Uns vorkommt, fühlen, was Wir dabei fühlen möchten und könnten, dürfen z. B. bei dem Namen Gottes nichts Lächerliches denken, nichts Unehrerbietiges fühlen, sondern es ist Uns vorgeschrieben und eingegeben, was und wie Wir dabei fühlen und denken sollen.
Das ist der Sinn der Seelsorge , daß meine Seele oder mein Geist gestimmt sei, wie Andere es recht finden, nicht wie Ich selbst möchte. Wie viele Mühe kostet es Einem nicht, wenigstens bei dem und jenem Namen endlich sich ein eigenes Gefühl zu sichern und Manchem ins Gesicht zu lachen, der von Uns bei seinen Reden ein heiliges Gesicht und eine unverzogene Miene erwartet. Das Eingegebene ist Uns fremd , ist Uns nicht eigen, und darum ist es »heilig«, und es hält schwer, die »heilige Scheu davor« abzulegen.
Heutigen Tages hört man auch wieder den »Ernst« anpreisen, den »Ernst bei hochwichtigen Gegenständen und Verhandlungen«, den »deutschen Ernst« usw. Diese Art der Ernsthaftigkeit spricht deutlich aus, wie alt und ernstlich schon die Narrheit und Besessenheit geworden ist. Denn es gibt nichts Ernsthafteres als den Narren, wenn er auf den Kernpunkt seiner Narrheit kommt: da versteht er vor großem Eifer keinen Spaß mehr. (Siehe Tollhäuser.)
§3. Die Hierarchie
Die geschichtliche Reflexion über Unser Mongolentum, welche Ich an dieser Stelle episodisch einlegen
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