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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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sich die fixe Idee vernehmen. Archimedes verlangte einen Standpunkt außerhalb der Erde, um sie zu bewegen. Nach diesem Standpunkte suchten fortwährend die Menschen, und Jeder nahm ihn ein, so gut er vermochte. Dieser fremde Standpunkt ist die Welt des Geistes , der Ideen, Gedanken, Begriffe, Wesen usw.; es ist der Himmel . Der Himmel ist der »Standpunkt«, von welchem aus die Erde bewegt, das irdische Treiben überschaut und – verachtet wird. Sich den Himmel zu sichern, den himmlischen Standpunkt fest und auf ewig einzunehmen, wie schmerzlich und unermüdlich rang darnach die Menschheit.
    Es hat das Christentum dahin gezielt, Uns von der Naturbestimmung (Bestimmung durch die Natur), von den Begierden als antreibend, zu erlösen, mithin gewollt, daß der Mensch sich nicht von seinen Begierden bestimmen lasse. Darin liegt nicht, daß er keine Begierden haben solle, sondern daß die Begierden ihn nicht haben sollen, daß sie nicht fix , unbezwinglich, unauflöslich werden sollen. Was nun das Christentum (die Religion) gegen die Begierden machinierte, könnten Wir das nicht auf seine eigene Vorschrift, daß Uns der Geist (Gedanke, Vorstellungen, Ideen, Glaube usw.) bestimmen solle, anwenden, könnten verlangen, daß auch der Geist oder die Vorstellung, die Idee Uns nicht bestimmen, nicht fix und unantastbar oder »heilig« werden dürfe? Dann ginge es auf die Auflösung des Geistes , Auflösung aller, Gedanken, aller Vorstellungen aus. Wie es dort heißen mußte: Wir sollen zwar Begierden haben, aber die Begierden sollen Uns nicht haben, so hieße es nun: Wir sollen zwar Geist haben, aber der Geist soll Uns nicht haben. Scheint das Letztere eines rechten Sinnes zu ermangeln, so denke man z. B. daran, daß bei so Manchem ein Gedanke zur »Maxime« wird, wodurch Er selbst in dessen Gefangenschaft gerät, so daß nicht Er die Maxime, sondern diese vielmehr Ihn hat. Und mit der Maxime hat er wieder einen »festen Standpunkt«. Die Lehren des Katechismus werden unversehens Unsere Grundsätze und ertragen keine Verwerfung mehr. Der Gedanke derselben oder der – Geist hat die alleinige Gewalt, und keine Einrede des »Fleisches« wird weiter gehört. Gleichwohl aber kann Ich nur durch das »Fleisch« die Tyrannei des Geistes brechen; denn nur, wenn ein Mensch auch sein Fleisch vernimmt, vernimmt er sich ganz, und nur, wenn er sich ganz vernimmt, ist er vernehmend oder vernünftig. Der Christ vernimmt den Jammer seiner geknechteten Natur nicht, sondern lebt in »Demut«; darum murrt er nicht gegen die Unbill, welche seiner Person widerfährt: mit der »Geistesfreiheit« glaubt er sich befriedigt. Führt aber einmal das Fleisch das Wort und ist der Ton desselben, wie es nicht anders sein kann, »leidenschaftlich«, »unanständig«, »nicht wohlmeinend«, »böswillig« usw., so glaubt er Teufelsstimmen zu vernehmen, Stimmen gegen den Geist (denn Anstand, Leidenschaftlosigkeit, Wohlmeinung u. dergl. ist eben – Geist), und eifert mit Recht dagegen. Er müßte nicht Christ sein, wenn er sie dulden wollte. Er hört nur auf die Sittlichkeit, und schlägt die Sittenlosigkeit aufs Maul, er hört nur auf die Gesetzlichkeit, und knebelt das gesetzlose Wort: Der Geist der Sittlichkeit und Gesetzlichkeit hält ihn gefangen, ein starrer, unbeugsamer Herr . Das nennen sie die »Herrschaft des Geistes« –, es ist zugleich der Standpunkt des Geistes.
    Und wen wollen nun die gewöhnlichen liberalen Herrn freimachen? Nach wessen Freiheit schreien und lechzen sie denn? Nach der des Geistes ! Des Geistes der Sittlichkeit, Gesetzlichkeit, Frömmigkeit, Gottesfurcht usw. Das wollen die antiliberalen Herrn auch, und der ganze Streit zwischen beiden dreht sich um den Vorteil, ob die letzteren das Wort allein haben oder die ersteren einen »Mitgenuß desselben Vorteils« erhalten sollen. Der Geist bleibt für beide der absolute Herr , und sie hadern nur darum, wer den hierarchischen Thron, der dem »Statthalter des Herrn« gebührt, einnehmen soll. Das Beste an der Sache ist, daß man dem Treiben ruhig zusehen kann mit der Gewißheit, daß die wilden Tiere der Geschichte sich ebenso zerfleischen werden, wie die der Natur; ihre verwesenden Kadaver düngen den Boden für – Unsere Früchte.
    Auf manchen andern Sparren, wie den des Berufes, der Wahrhaftigkeit, der Liebe usw. kommen Wir später zurück.
    Wenn das Eigene dem Eingegebenen entgegengestellt wird, so will der Einwurf nichts verschlagen, daß Wir Isoliertes nicht haben können, sondern

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