Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
die Ausschließlichkeit selber. Läßt der Humane dem Einzelnen nichts Privates oder Ausschließliches, keinen Privatgedanken, keine Privatnarrheit mehr gelten, kritisiert er ihm Alles vor der Nase weg, da sein Haß gegen das Private ein absoluter und ein fanatischer ist, kennt er keine Toleranz gegen Privates, weil alles Private unmenschlich ist: so kann er doch die Privatperson selbst nicht wegkritisieren, da die Härte der einzelnen Person seiner Kritik widersteht, und er muß sich damit begnügen, diese Person für eine »Privatperson« zu erklären, und ihr wirklich alles Private wieder überlassen.
Was wird die Gesellschaft, die sich um nichts Privates mehr bekümmert, tun? Das Private unmöglich machen? Nein, sondern es dem »Gesellschaftsinteresse unterordnen und z. B. dem Privatwillen überlassen, Feiertage, so viel wie er will, zu setzen, wenn er nur nicht mit dem allgemeinen Interesse in Kollision tritt«. Alles Private wird freigelassen , d. h. es hat für die Gesellschaft kein Interesse.
»Durch ihre Absperrung gegen die Wissenschaft haben die Kirche und Religiosität ausgesprochen, daß sie sind, was sie immer waren, was sich aber unter einem andern Scheine verbarg, wenn sie für die Basis und notwendige Begründung des Staats ausgegeben wurden – – eine reine Privatangelegenheit. Auch damals, als sie mit dem Staate zusammenhingen und diesen zum christlichen machten, waren sie nur der Beweis, das der Staat noch nicht seine allgemeine politische Idee entwickelt habe, daß er nur Privatrechte setze – – sie waren nur der höchste Ausdruck dafür, daß der Staat eine Privatsache sei und nur mit Privatsachen zu tun habe. Wenn der Staat endlich den Mut und die Kraft haben wird, seine allgemeine Bestimmung zu erfüllen und frei zu sein, wenn er also auch im Stande ist, den besondern Interessen und Privatangelegenheiten ihre wahre Stellung zu geben – dann werden Religion und Kirche frei sein, wie sie es bisher noch nie gewesen. Als die reinste Privatangelegenheit und Befriedigung des rein persönlichen Bedürfnisses werden sie sich selbst überlassen sein, und jeder Einzelne, jede Gemeinde und Kirchengemeinschaft werden für die Seligkeit der Seele sorgen können, wie sie wollen und wie sie es für nötig halten. Für seiner Seele Seligkeit wird Jeder sorgen, soweit es ihm persönliches Bedürfnis ist, und als Seelsorger denjenigen annehmen und besolden, der ihm die Befriedigung seines Bedürfnisses am besten zu garantieren scheint. Die Wissenschaft wird endlich ganz aus dem Spiel gelassen.«
Was soll jedoch werden? Soll das gesellschaftliche Leben ein Ende haben und alle Umgänglichkeit, alle Verbrüderung, alles, was durch das Liebes- oder Sozietätsprinzip geschaffen wird, verschwinden?
Als ob nicht immer Einer den Andern suchen wird, weil er ihn braucht , als ob nicht Einer in den Andern sich fügen muß, wenn er ihn braucht . Der Unterschied ist aber der, daß dann wirklich der Einzelne sich mit dem Einzelnen vereinigt , indes er früher durch ein Band mit ihnen verbun den war: Sohn und Vater umfängt vor der Mündigkeit ein Band, nach derselben können sie selbständig zusammentreten, vor ihr gehörten sie als Familienglieder zusammen (waren die »Hörigen« der Familie), nach ihr vereinigen sie sich als Egoisten, Sohnschaft und Vaterschaft bleiben, aber Sohn und Vater binden sich nicht mehr daran.
Das letzte Privilegium ist in Wahrheit »der Mensch«; mit ihm sind Alle privilegiert oder belehnt. Denn, wie Bruno Bauer selbst sagt: »Das Privilegium bleibt, wenn es auch auf Alle ausgedehnt wird.«
So verläuft der Liberalismus in folgenden Wandlungen:
Erstens: Der Einzelne ist nicht der Mensch, darum gilt seine einzelne Persönlichkeit nichts: kein persönlicher Wille, keine Willkür, kein Befehl oder Ordonnanz!
Zweitens: Der Einzelne hat nichts Menschliches, darum gilt kein Mein und Dein oder Eigentum.
Drittens: Da der Einzelne weder Mensch ist noch Menschliches hat, so soll er überhaupt nicht sein, soll als ein Egoist mit seinem Egoistischen durch die Kritik vernichtet werden, um dem Menschen, »dem jetzt erst gefundenen Menschen« Platz zu machen.
Obgleich aber der Einzelne nicht Mensch ist, so ist der Mensch in dem Einzelnen doch vorhanden und hat, wie jeder Spuk und alles Göttliche, an ihm seine Existenz. Daher spricht der politische Liberalismus dem Einzelnen Alles zu, was ihm als »Menschen von Geburt«, als geborenem Menschen zukommt, wohin denn Gewissensfreiheit, Besitz usw.,
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