Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
dient Mir nur dazu, sie zu genießen und zu verzehren. Ich zehre gerade an meiner Voraussetzung allein und bin nur, indem Ich sie verzehre. Darum aber ist jene Voraussetzung gar keine; denn da Ich der Einzige bin, so weiß Ich nichts von der Zweiheit eines voraussetzenden und vorausgesetzten Ich's (eines »unvollkommenen« und »vollkommenen« Ich's oder Menschen), sondern, daß Ich Mich verzehre, heißt nur, daß Ich bin. Ich setze Mich nicht voraus, weil Ich Mich jeden Augenblick überhaupt erst setze oder schaffe, und nur dadurch Ich bin, daß Ich nicht vorausgesetzt, sondern gesetzt bin, und wiederum nur in dem Moment gesetzt, wo Ich Mich setze, d. h. Ich bin Schöpfer und Geschöpf in Einem.
Sollen die bisherigen Voraussetzungen in einer völligen Auflösung zergehen, so dürfen sie nicht wieder in eine höhere Voraussetzung, d. h. einen Gedanken oder das Denken selbst, die Kritik, aufgelöst werden. Es soll ja jene Auflösung Mir zu Gute kommen, sonst gehörte sie nur in die Reihe der unzähligen Auflösungen, welche zu Gunsten Anderer, z. B. eben des Menschen, Gottes, des Staates, der reinen Moral usw., alte Wahrheiten für Unwahrheiten erklärten und lang genährte Voraussetzungen abschafften.
ZWEITE ABTEILUNG
Ich
An dem Eingange der neuen Zeit steht der »Gottmensch«. Wird sich an ihrem Ausgange nur der Gott am Gottmenschen verflüchtigen, und kann der Gottmensch wirklich sterben, wenn nur der Gott an ihm stirbt? Man hat an diese Frage nicht gedacht und fertig zu sein gemeint, als man das Werk der Aufklärung, die Überwindung des Gottes, in unsern Tagen zu einem siegreichen Ende führte; man hat nicht gemerkt, daß der Mensch den Gott getötet hat, um nun – »alleiniger Gott in der Höhe« zu werden. Das Jenseits außer Uns ist allerdings weggefegt, und das große Unternehmen der Aufklärer vollbracht; allein das Jenseits in Uns ist ein neuer Himmel geworden und ruft Uns zu erneutem Himrnelsstürmen auf: der Gott hat Platz machen müssen, aber nicht Uns, sondern – dem Menschen. Wie mögt Ihr glauben, daß der Gottmensch gestorben sei, ehe an ihm außer dem Gott auch der Mensch gestorben ist?
Die Eigenheit
»Lechzt der Geist nicht nach Freiheit?« – Ach, mein Geist nicht allein, auch mein Leib lechzt stündlich danach! Wenn meine Nase vor der duftenden Schloßküche meinem Gaumen von den schmackhaften Gerichten erzählt, die darin zubereitet werden, da fühlt er bei seinem trockenen Brote ein fürchterliches Schmachten; wenn meine Augen dem schwieligen Rücken von weichen Dunen sagen, auf denen sich's lieblicher liegt, als auf seinem zusammengedrückten Stroh, da faßt ihn ein verbissener Grimm; wenn – doch verfolgen wir die Schmerzen nicht weiter. – Und das nennst Du eine Freiheitssehnsucht? Wovon willst Du denn frei werden? Von deinem Kommißbrot und deinem Strohlager? So wirf es weg! – Damit aber scheint Dir nicht gedient zu sein; Du willst vielmehr die Freiheit haben, köstliche Speisen und schwellende Betten zu genießen. Sollen die Menschen Dir diese »Freiheit« geben –, sollen sie Dir's erlauben? Du hoffst das nicht von ihrer Menschenliebe, weil Du weißt, sie denken alle wie – Du: Jeder ist sich selbst der Nächste! Wie willst Du also zum Genuß jener Speisen und Betten kommen? Doch wohl nicht anders, als wenn Du sie zu deinem Eigentum machst!
Du willst, wenn Du es recht bedenkst, nicht die Freiheit, alle diese schönen Sachen zu haben, denn mit der Freiheit dazu hast Du sie noch nicht; Du willst sie wirklich haben, willst sie dein nennen und als dein Eigentum besitzen. Was nützt Dir auch eine Freiheit, wenn sie nichts einbringt? Und würdest Du von allem frei, so hättest Du eben nichts mehr; denn die Freiheit ist inhaltsleer. Wer sie nicht zu benutzen weiß, für den hat sie keinen Wert, diese unnütze Erlaubnis; wie Ich sie aber benutze, das hängt von meiner Eigenheit ab.
Ich habe gegen die Freiheit nichts einzuwenden, aber Ich wünsche Dir mehr als Freiheit; Du müßtest nicht bloß los sein , was Du nicht willst, Du müßtest auch haben , was Du willst, Du müßtest nicht nur ein »Freier«, Du müßtest auch ein »Eigner« sein.
Frei – wovon? O was läßt sich nicht alles abschütteln! Das Joch der Leibeigenschaft, der Oberherrlichkeit, der Aristokratie und Fürsten, die Herrschaft der Begierden und Leidenschaften; ja selbst die Herrschaft des eigenen Willens, des Eigenwillens, die vollkommenste Selbstverleugnung ist ja nichts als Freiheit, Freiheit nämlich von
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