Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
der Selbstbestimmung, vom eigenen Selbst, und der Drang nach Freiheit als nach etwas Absolutem, jedes Preises Würdigem, brachte Uns um die Eigenheit: er schuf die Selbstverleugnung. Je freier Ich indes werde, desto mehr Zwang türmt sich vor meinen Augen auf, desto ohnmächtiger fühle Ich Mich. Der unfreie Sohn der Wildnis empfindet noch nichts von all' den Schranken, die einen gebildeten Menschen bedrängen: er dünkt sich freier als dieser. In dem Maße als Ich Mir Freiheit erringe, schaffe Ich Mir neue Grenzen und neue Aufgaben; habe Ich die Eisenbahnen erfunden, so fühle Ich Mich wieder schwach, weil Ich noch nicht, dem Vogel gleich, die Lüfte durchsegeln kann, und habe Ich ein Problem, dessen Dunkelheit meinen Geist beängstigte, gelöst, so erwarten Mich schon unzählige andere, deren Rätselhaftigkeit meinen Fortschritt hemmt, meinen freien Blick verdüstert, die Schranken meiner Freiheit Mir schmerzlich fühlbar macht. »Nun ihr frei worden seid von der Sünde, seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit.« Die Republikaner in ihrer weiten Freiheit, werden sie nicht Knechte des Gesetzes? Wie sehnten sich allezeit die wahren Christenherzen, »frei zu werden«, wie schmachteten sie, von den »Banden dieses Erdenlebens« sich erlöst zu sehen; sie schauten nach dem Lande der Freiheit aus. (»Das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter.« Gal. 4, 26.)
Frei sein von etwas – heißt nur: ledig oder los sein. »Er ist frei von Kopfweh« ist gleich mit: er ist es los. »Er ist frei von diesem Vorurteil« ist gleich mit: er hat es nie gefaßt oder er ist es los geworden. Im »los« vollenden Wir die vom Christentum empfohlene Freiheit, im sündlos, gottlos, sittenlos usw.
Freiheit ist die Lehre des Christentums. »Ihr, lieben Brüder, seid zur Freiheit berufen.« »Also redet und also tut, als die da sollen durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden.«
Müssen Wir etwa, weil die Freiheit als ein christliches Ideal sich verrät, sie aufgeben? Nein, nichts soll verlorengehen, auch die Freiheit nicht; aber sie soll unser eigen werden, und das kann sie in der Form der Freiheit nicht.
Welch ein Unterschied zwischen Freiheit und Eigenheit! Gar vieles kann man los werden, Alles wird man doch nicht los; von Vielem wird man frei, von Allem nicht. Innerlich kann man trotz des Zustandes der Sklaverei frei sein, obwohl auch wieder nur von Allerlei, nicht von Allem; aber von der Peitsche, der gebieterischen Laune usw. des Herrn wird man als Sklave nicht frei . »Freiheit lebt nur in dem Reich der Träume!« Dagegen Eigenheit, das ist mein ganzes Wesen und Dasein, das bin Ich selbst. Frei bin Ich von Dem, was Ich los bin, Eigner von dem, was Ich in meiner Macht habe, oder dessen Ich mächtig bin. Mein eigen bin Ich jederzeit und unter allen Umständen, wenn Ich Mich zu haben verstehe und nicht an Andere wegwerfe. Das Freisein kann Ich nicht wahrhaft wollen , weil Ich's nicht machen, nicht erschaffen kann: Ich kann es nur wünschen und darnach – trachten, denn es bleibt ein Ideal, ein Spuk. Die Fesseln der Wirklichkeit schneiden jeden Augenblick in mein Fleisch die schärfsten Striemen. Mein eigen aber bleibe Ich. Einem Gebieter leibeigen hingegeben, denke Ich nur an Mich und meinen Vorteil; seine Schläge treffen Mich zwar: Ich bin nicht davon frei ; aber Ich erdulde sie nur zu meinem Nutzen , etwa um ihn durch den Schein der Geduld zu täuschen und sicher zu machen, oder auch um nicht durch Widersetzlichkeit Ärgeres Mir zuzuziehen. Da Ich aber Mich und meinen Eigennutz im Auge behalte, so fasse Ich die nächste, gute Gelegenheit beim Schopfe, den Sklavenbesitzer zu zertreten. Daß Ich dann von ihm und seiner Peitsche frei werde, das ist nur die Folge meines vorangegangenen Egoismus. Man sagt hier vielleicht, Ich sei auch im Stande der Sklaverei »frei« gewesen, nämlich »an sich« oder »innerlich«. Allein »an sich frei« ist nicht »wirklich frei« und »innerlich« nicht »äußerlich«. Eigen hingegen, mein eigen war Ich ganz und gar, innerlich und äußerlich. Von den Folterqualen und Geißelhieben ist mein Leib nicht »frei« unter der Herrschaft eines grausamen Gebieters; aber meine Knochen sind es, welche unter der Tortur ächzen, meine Fibern zucken unter den Schlägen, und Ich ächze, weil mein Leib ächzt. Daß Ich seufze und erzittere, beweist, daß Ich noch bei Mir, daß Ich noch mein eigen bin. Mein Bein ist nicht »frei« von dem Prügel des Herrn, aber es ist mein Bein
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