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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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auch Eugen Bastnicht mehr. Seit er blind geworden war, nicht mehr in der Welt herumstreifen konnte – seitdem war er bequemer geworden, dicker. Er liebte Ordnung, Sauberkeit, gutes Essen. Dafür sorgte sie, und sie kostete ihn nicht mehr als das bißchen Essen. Dazu war sie zuverlässig und verschwiegen, sie schnatterte nicht; wortlos, protestlos, blinder als der Blinde, machte sie alles mit.
    Eugen Bast konnte nicht mehr selbst auf Einbrüche ausgehen, Mädchen auf der Straße laufen lassen. Zuerst hatte er darüber gewütet, aber bald hatte er begriffen, daß der verborgene Hintermann sehr viel besser fährt als der, der die Kastanien aus dem Feuer holt. Der Blinde baldowerte die Gelegenheiten aus und beanspruchte dafür ein groß Teil der Beute. Er wurde erst ein Hehler, dann ein Finanzmann der Diebe, die nie Geld hatten. Eugen Bast hatte welches, er hatte ein Bankkonto, er hatte auch einen Safe mit höchst wertbeständigen Edelvaluten …
    Er wurde ein großer Mann, der Eugen Bast, er wurde ein noch viel größerer Mann! Als die »Jungens« ihm einmal statt der erwarteten Wertpapiere einen Packen Briefe gebracht hatten, tobte er freilich über solch unentschuldbares Versehen und kürzte ihren Anteil strafweise recht beträchtlich. Später ließ er sich dann von Eva die Briefe vorlesen, zum Zeitvertreib. Er lag auf dem Bett und verdaute, und sie kniete neben dem Bett auf einer Bürste und las vor. So hatte er alle Genüsse, die er sich wünschte …
    Unter Briefen hatte sich Eugen Bast bis dahin wenig vorstellen können – was Menschen sich auf vier, acht Brief Seiten zu schreiben hatten, ging über sein Verständnis. Aber man wird alt wie ’ne Kuh und lernt immer noch zu. Eugen Bast erfuhr, daß höchst erbaulich war anzuhören, was da eine Sie einem Er auf vier Briefseiten schrieb.
    Regelmäßig fing die Sie schwärmerisch und blöd mit Liebe und Sehnsucht an. Aber kaum war man auf der zweiten Seite, kamen schon kleine neckische Erinnerungen, süße Unanständigkeiten – von dieser Sie konnte ein Er schon in Gang gebrachtwerden! Eugen Bast, der die Sie doch nie gesehen hatte, kam über ihren erotischen Späßen selber ins Feuer!
    Die Eva ließ er freilich vorlesen, bis sie von ihrer Bürste kippte. Dann lag er lange still in der Nacht, rauchte Zigaretten und dachte angestrengt nach. Es war eine erbauliche Lektüre, kein Zweifel, aber Eugen Bast kam mit seinem anschlägigen Köpfchen bald darauf, daß aus den Briefen viel mehr herauszuholen war …
    Es waren sehr kostbare englische Stühle gewesen, die Eugen Bast in jenem Hause zu flechten bekommen hatte, mit einem besonderen bräunlichen Rohr, das Eugen für diesen Auftrag extra hatte besorgen müssen. Und es war ein sehr leichtsinniger Hausherr gewesen, der gedacht hatte, blinde Leute sind blind, und der darum ganz unbesorgt aus seinem von der Tapete verdeckten Safe einen Geldschein genommen hatte, eben als Anzahlung auf den Rohrkauf. Aber wenn Blinde nicht sehen können, so ist ihr Gehör um so besser, und der Herr wäre sehr überrascht gewesen, wenn ihm Eugen Bast die Lage seines kleinen Geheimfaches auf zehn Zentimeter genau beschrieben hätte.
    Der Mann schien, nach Stühlen und Safe zu urteilen, wohlhabend, übrigens ein verheirateter Mann, ein Mann mit Kindern, und aus den Briefen ließ sich ohne weiteres schließen, daß die Schreiberin auch eine wohlhabende verheiratete Frau war …
    Es war ein glänzendes. Geschäft für einen blinden Mann, eine Sache, die von selber lief: Die Jungen schafften die Briefe heran, ohne ihren Wert zu ahnen (es war komisch, aber beinahe in jedem dritten Geldschrank steckten solche Briefe), Eva schrieb die ersten zarten Andeutungen, und der arme blinde Bettler machte bloß den Boten, den unwissenden Boten (»Ich soll hier ein Päckchen abholen für Herrn – Lehmann, Sie wissen schon!«).
    Ach, wie der Eugen Bast aufging. Übrigens hieß er natürlich schon längst nicht mehr Eugen Bast, sondern Walter Schmidt oder Hermann Schulze, mit ausgezeichneten Papieren,Kriegsblinder und Rentenempfänger, alles in bester Ordnung, bitte schön, Herr Oberwachtmeister! Ja, er ging auf, er mästete sich an seiner eigenen Bosheit; lange, lange konnte er in der Finsternis, in der er tagaus, nachtein lebte, über die Briefe nachdenken, seine Erpressungsbriefe, und wie er die quälen wollte und konnte, die Frauen und die Männer, wie er ihnen keine Ruhe ließ, Geld herausholte aus dieser ehebrecherischen Korrespondenz, viel Geld, mit

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