Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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prasselnder Hagelschauer. Flammenfetzen und Rauch quellen hervor, der Turm wankt, die Kuppel glüht, wird von einer wütenden Gewalt im Innern aufgesprengt, das Dach öffnet sich zu stählernen Fingern.
    Ein gewaltiger Hustenstoß schleudert eine beißende Qualmwolke hoch, ein Toter stürzt aus den Trümmern. Das Wrack der Kanone schwingt hin und her. Judah wird von den Resten des Golems überschüttet. Die Rebellen jubeln. Er kann es nicht hören, aber sehen.



    Der Zug gehört den Aufständischen. Die Gendarmen werfen ihre Waffen heraus, dann kommen sie selbst zum Vorschein, blutend, mit erhobenen Händen, versengten, tränenden Augen.
    - Nein, nein, nein, heult Uzman. Er stopft sich Kohle in den Mund, und sein Bizeps schwillt. Mit Shanks und mit Ann-Hari und mit anderen Gesichtern, die Judah inzwischen bekannt sind, bemühen sich die LF ler einzuschreiten, wenn handgreifliche Unmutsäußerungen in Totschlag auszuarten drohen. Sie lassen sich Messer aushändigen. Man schimpft und flucht, fügt sich aber. Die Gendarmen werden dort angekettet, wo die Remade gefangen waren.
    - Und jetzt? Überall, wo Judah hinkommt, hört er diese Frage.
    Der Zug ist im Besitz der Remade. Sie machen sich Fahnen für ihr plötzliches neues Vaterland und schwenken sie von dem zerstörten Geschützturm herab. Keiner tut in dieser Nacht ein Auge zu. Die Vorarbeiter der Tunnelgräber sind in der Weite des Landes verschwunden, mit ihnen viele freie Männer und einige der leichten Mädchen.
    - Schickt Boten, drängt Thick Shanks. – Wir müssen denen zu Hause Nachricht geben, sagt er, und Uzman nickt. Sie sitzen im Kreis anderer Führer der spontanen Meuterei. Sie argumentieren in ungeschönter, leidenschaftlicher Sprache. Sie treffen Entscheidungen.
    Ann-Hari erzählt jedem: – Nicht rückwärts, wir gehen nicht zurück, wir gehen weiter. Und sie zeigt nach vorn in die Wildnis.
    Sie wählen Boten aus. Reiter. Einen Remade mit Dampfkolbenbeinen wie gespreizte Finger, die unter heftigen Erschütterungen Felshänge hinauftrommeln. Dabei wird der menschliche Torso herumgeschleudert, als wäre er unfreiwilliger Passagier. Ein anderer ist ein muskulöser Mann, aus dem man ein eigenartiges Wesen mit sechs Gliedmaßen gemacht hat: Er ist unterhalb des Bauchs auf den Hals einer der großen zweibeinigen Echsen transplantiert, wie sie – mehr oder weniger gezähmt – bei den Steppennomaden als Reittiere gebräuchlich sind. Er steht hoch aufragend auf zwei nach hinten gebogenen Beinen vor einem steifen Echsenschwanz, die bekrallten Vorderextremitäten sitzen dicht unterhalb der Verbindungsnaht der beiden Körperhälften. Er hat seit Monaten als Kundschafter gedient, geritten von einem Gendarmen, einen Revolver im Genick.
    - Geht, trägt Uzman ihnen auf. – Folgt den Schienen, bleibt aber außer Sichtweite. Geht in die Siedlungen, geht in die Arbeiterlager, geht nach Junctiontown. Und Jabber, geht meinetwegen nach New Crobuzon. Berichtet, was geschehen ist. Sagt den neuen Gilden, wir brauchen Unterstützung. Sie sollen kommen. Wenn sie uns helfen, für uns die Arbeit niederlegen, dann können wir gewinnen. Remade, Freie – bringt alles mit, was will.
    - Uzman, sagen sie und nicken, als wäre sein Name an sich eine Bestätigung.
    Der Galopp der Reiter wirbelt Staub auf, der von Dampfkraft unterstützte Insektenmann schießt von wimmelnden Beinen getragen blitzschnell davon. Der schuppige, zweibeinige Echsenmann huscht flink über Heidekrautbuckel neben dem Gleisbett. Vögel und andere Kreaturen, die fliegen, beobachten die Vorgänge von oben. Diejenigen, die nicht Vögel sind, manövrieren in dem abrupten Zickzack von Fischen im Meer.



    Die Prostituierten gewähren einigen Männern Zutritt, allerdings unter strikten Bedingungen: unbewaffnet, eine Aufpasserin in Rufweite. Seit Uzman und Ann-Hari haben einige von ihnen sogar Remade beigelegen.
    - In New Crobuzon ist das gang und gäbe, sagt Ann-Hari. – Dass Normale und Remade bumsen. Was glaubst du, was passiert, wenn einer zu den Straffabriken verurteilt wird? Dass immer und in jedem Fall seine Frau ihn verlässt?
    - Man geht davon aus. Alles andere wäre gegen den Anstand.
    - Sie tun es überall in der Stadt, genau wie sie’s querbeet treiben, Menschen, Khepri, Vodyanoi.
    - Stimmt, gibt Judah zu. – Aber im Geheimen. Diese Frauen, deine Frauen – sie machen es in aller Offenheit.
    Ann-Hari legt den Kopf in den Nacken und schaut zum Himmel. Sie lässt den Mond über sich