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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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nicht durchschlagen können. Beim Krachen des Schusses stürmen Remade herbei, um sie zu schützen, und Judah hört, wie der Hauptmann im Turm schreiend Befehle erteilt; zu verstehen ist er nicht, vielleicht sagt er Nicht schießen, vielleicht sagt er Feuer. Judah veranlasst seinen Erdgolem, sich vor Ann-Hari zu stellen, und fast gleichzeitig krachen die Gewehre der Gendarmen.
    Im Nu liegen alle platt auf dem Bauch, bis auf Ann-Hari und den Golem; sie stehen aufrecht inmitten von Schreien und Blut. Die Salve verknattert. Eine, zwei, drei Gestalten auf dem Boden hingestreckt. Andere, hauptsächlich Remade, aber auch Freie, rufen um Hilfe. Ann-Hari ist still. Der Rumpf des Golems ist übersät mit den Grübchen der Einschusslöcher.
    - Nein nein nein, hört man den Hauptmann lamentieren. – Ich habe nicht …, aber die Remade wollen nicht warten. Ihr Barritus übertönt die Stimme des Offiziers, und Judah schaut Ann-Hari an und sie lächelt, und auch er spürt ein Lächeln auf dem Gesicht.
     

     
    Dem Zwischenfall folgt ein kleiner Krieg. – Was hast du dir dabei gedacht?, schreit Shanks Ann-Hari an, aber die Frage ist mittlerweile überflüssig. Bei dem Geplänkel zwischen Gendarmen, freien Arbeitern, Prostituierten und Remade bilden sich zwei Parteien: hier die Remade und ihre Freunde, auf der anderen Seite die Gendarmen und solche, die mit dieser hysterischen Radikalität nicht einverstanden sind. Auch Judah hat Bedenken, dessen ungeachtet wünscht er nie die Geburt dieses heftigen Kindes ungeschehen.
    Remade attackieren den Turm mit Schusswaffen, primitiven Bombarden und ihren Schwinghammer-Extremitäten. Sie schleudern Steinbrocken und Prellböcke, die den Turm erdröhnen lassen. Ein Mann neben Judah, dessen Kinn einen Fransenbart aus Krebsscheren trägt, wird plötzlich von einer Kugel der Gegenseite umgerissen und rührt sich nicht mehr. Judah schickt seinen Golem rund um den Turm, wobei Kugeleinschläge sein Erdfleisch zerpflücken.
    Er hört das hohle Blaffen des Geschützes nicht. Ein umgekipptes Karriol ist eben noch ein Karren, zwischen dessen Speichen Männer und Frauen lehnen, dann eine Eruption, eine glosende Saat aus Holzsplittern in weitem Umkreis verstreut und niederregnendes Blut über einer von schwarzem Qualm durchwogten Grube.
    Judah kneift die Augen zu, reißt sie auf. Er sieht Trümmer. Er sieht, dass das schwarze Ding, das auf ihn zukriecht und eine schmierige Spur hinterlässt wie eine Schnecke, eine Frau ist, großflächig schwarz und rot gefleckt, tintige Schnörkel auf rohem Fleisch. Er wundert sich, dass sie keinen Laut von sich gibt, wo doch ihre Haare brennen, dann wird ihm klar, er kann nicht hören. Seine Ohren klingeln. Der Lauf der Kanone stößt Qualm aus wie ein genüsslicher Zigarrenraucher.
    Oben bemüht man sich, das Geschütz zu schwenken. Die rebellischen Remade, Huren und die wenigen Freien auf ihrer Seite, nehmen die Beine in die Hand und bringen sich schleunigst außer Schussweite.
    Judah steht auf. Langsam. Geht auf den gepanzerten Waggon zu und setzt erneut den Golem in Bewegung. Die Kanone dreht sich mit schlecht geölter Widerspenstigkeit. Der Golem presst seinen schmierigen Leib gegen die Seite des Güterwagens, streckt die Arme hoch, eine Imitation von Judahs angedeuteten, dirigierenden Gebärden. Zieht sich hoch, hinterlässt dabei einen schmierigen Abdruck seines Körpers.
    Das Geschütz feuert erneut. Es schleudert eine Faust aus öligem Rauch, und das Gleisende und die Leute, die dort stehen, vergehen in einer Girandole. Der Golem erklimmt den Turm, tritt auf Vorsprünge, auf Regenrinnen. Er gebraucht die Gewehre, mit denen die Gendarmen ihn hinunterstochern wollen, als Griffe und Fußhalte. Er lässt jeglichen Selbsterhaltungstrieb außer Acht, wie kein vernunftbegabtes Wesen es könnte, verliert sich selbst in Klumpen und Fetzen und wird, je höher er steigt, desto weniger, doch ist er jetzt schon fast oben angelangt, geschwächt von Stöcken und Spaken, die aus seiner Grus- und Ölhaut ragen. Eins nach dem anderen fallen seine Beine ab, landen formlos wie Exkrement auf dem Boden tief unten. Die Kanone wird auf ihn gerichtet, und Judah lässt den Golem seinen Arm tief in den Lauf schieben.
    Die Mündung reicht ihm bis zur Schulter. Das Rohr ist verstopft mit Kadabragebundener Golemmaterie. Als der Schuss losgeht, durchfährt eine dumpf dröhnende Erschütterung das Geschütz. Der Lauf entfaltet sich wie eine aufspringende Blüte, der Golem ist ein

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