Der Eiserne Rat
hinwegwandern. Sie verliert sich in der Betrachtung seines vergehenden Scheins über der skelettartigen Brücke. – Die Gilden aus der Stadt können uns hier nicht helfen, sagt sie. – Das hier ist was Neues.
In dem Balkengerüst unter ihnen wandern Fackeln hin und her, auf und ab. Die Brückenbauer haben ihre Arbeit wieder aufgenommen. Ohne Aufseher.
- Was hast du ihnen gesagt?, fragte Judah.
- Die Wahrheit, antwortet Ann-Hari. – Dass sie weitermachen müssen. Dass dies auch ein Remaking ist, eine Erneuerung.
Bei Sonnenaufgang, drei Tage später, kehrt der fünffüßige Remade zurück. Er saugt Wasser auf, bevor er sprechen kann.
- Sie kommen, berichtet er. – Gendarmen. Hunderte. In einem neuen Zug. Ein beschlagnahmter Personenzug, sagt er. Die Schaulustigen und die Glückssucher, die gekommen sind, um das Innere des Kontinents in Augenschein zu nehmen, hat man zum Aussteigen gezwungen.
Von den Freien und Echten haben die meisten sich davongemacht. Einige sind Mitbürger dieser neuen Stadt, trotz des Missvergnügens über die Remade, die ihnen plötzlich gleichgestellt sein sollen, festgehalten von der spannenden Frage: Was wird geschehen? Sie sind Teil dieser verschworenen Schienengemeinschaft, der Dirimisten. Einige sind ebenso eifrig wie die Remade, kehren als Mitglied von Sabotage-Trupps an der fertigen Strecke zurück und zerstören Gleise und Bahnkörper. Die Lokführer, Heizer und Bremser, die sich zum Bleiben entschlossen haben – nur wenige –, unterweisen die Remade in ihren Fertigkeiten.
Sie kehren zurück in eine Landschaft, die sie verändert haben, die von Anfang an instabil war, charakterisiert von Leben in Kadabrawellen. An manchen Stellen war der Grund, als sie das Gleisbett bauten, Fels und ist nun gefleckt wie Echsenhaut, verströmt milchähnliches Blut, wo die Schienennägel eingeschlagen sind. Dann gibt es Stellen, wo die Erde aussieht wie der Einband eines Buches, und Papierfetzen wachsen aus den Nagelwunden. Sie reißen das Geleise heraus, um der Strafexpedition das Vorwärtskommen zu erschweren.
Was im Schweiße des Angesichts geschaffen wurde, wird im Schweiße des Angesichts zerstört. Sie hebeln Nägel heraus, stapeln Schienen und Schwellen zu einem Verhau, zerstreuen den Schotter. Sie wühlen die Bettung auf und kehren zum Zug zurück.
Aber: – Sie haben die Barrikade niedergerissen, berichten nicht lange danach die Kundschafter. – Sie haben Schienen und Schwellen mitgebracht. Sie bauen die Strecke neu. Höchstens zwei Tage noch, dann sind sie hier.
Im Tunnel flackern Lichter, man hört, dass gearbeitet wird.
- Was hast du getan?, fragt Judah.
- Wir bauen den Tunnel fertig, sagt Ann-Hari. – Und die Brücke. Wir sind fast durch.
Ihr Einfluss wächst. Ann-Hari ist mehr als ein Anführer und weniger, sinniert Judah: Sie ist eine Person, ein Nexus der Wünsche, des Verlangens nach Veränderung.
Im feuchten, dunklen Berginnern wird an den letzten Metern Fels genagt. Judah schaut auf die Brücke hinunter. Die neu dazugekommenen Teile sind zum Lachen, ein auf die Schnelle zusammengenageltes Spalier aus Holz und Metall schließt die Lücke zu dem regulär begonnenen, soliden Teil. Flickwerk, das Provisorium einer Brücke.
Judah ist Mitglied eines inneren Kreises – zu seiner Überraschung –, der sich bemüht, eine Strategie zu entwickeln. Sie treffen sich in den Hügeln: Shaun, Uzman, Ann-Hari, Thick Shanks, Judah, doch parallel zu ihnen entwickelt sich eine andere Gemeinschaft, urwüchsig und kameradschaftlich.
Allabendlich versammeln sich die Arbeiter beim Licht der Gaslampen. Zuerst war es die übliche Geselligkeit nach Feierabend – Schnaps, Würfel und Amore –, doch indem die Gendarmen näher kommen und Uzman Strategien diskutiert, erfahren die Treffen eine Veränderung. Die Männer des Zugs nennen einander Bruder.
Ann-Hari kommt zu der Versammlung und unterbricht den weitschweifigen Wortbeitrag eines Mannes. Ein Keil Frauen stößt zwischen die Männer, von denen einige versuchen, Ann-Hari niederzubrüllen.
- Du bist kein Arbeiter an dieser Strecke, sagt ein Mann. – Du bist weiter nichts als eine Hure aus den Bergen. Das hier ist nicht dein verdammter Kongress, es ist unserer.
Ann-Hari antwortet ihm in kurzen, harten Sätzen wie Hammerschläge. Für Judah klingt es, als wäre sie die Stimme des Zuges. Das Feuer hält inne.
- … nicht das Recht zu sprechen, sagt sie. – Wenn ich nicht das Recht zu sprechen habe, wer dann? Wie wärt
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