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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schweißt die zertrümmerte Kniescheibe. Selbstauflösende Klemmen werden als Nächstes implantiert, da geschweißte Knochen immer ein bisschen schwach sind. Wir möchten ja nicht, dass das hier alles wieder auseinanderfällt.«
    Cormac vermutete, dass Olkennon sich deshalb so daran ergötzte, diese Details zu schildern, weil sie verhindern wollte, dass ihre Rekruten eine zu blasierte Haltung gegenüber derartigen Verletzungen entwickelten. Ja, die medizinische Technik existierte, mit deren Hilfe man ein menschliches Wesen so leicht ausbessern konnte wie ein kaputtes Spielzeug, aber manche Schäden waren nicht zu beheben, und ein Autodok stand nicht immer zur Verfügung.
    »So, die Klemmen sind drin – aus Kalziumfasern. Derzeit läuft die Zellschweißung, und neutrales Zellmaterial und Kollagen tritt an die Stelle all dieses toten ekligen Zeugs, das der Dok heraussaugt.«
    Ja klar, Cormac hörte jetzt ein Geräusch, als saugte jemand die letzten Tropfen eines Getränks durch einen Strohhalm.
    Soweit er wusste, hatte die ECS früher Probleme mit Rekruten gehabt, die im Hinblick auf Verletzungen zu sorglos geworden waren. Damals hatte man den Vorschlag erörtert, solche Behandlungen ohne Unterdrückung der Schmerzen durchzuführen – nur damit die Leute es auch kapierten. Ein solches Vorgehen war jedoch zu primitiv. Die KIs benutzten in der Folge subtile psychologische Manipulationen, zu denen auch gehörte, den Autodoks ein glattweg furchteinflößendes Äußeres zu geben, aber auch Ausbildungsverfahren, die echte Schmerzen einschlossen. Cormac zuckte zusammen, als er sich an Knochenbrüche, Bänderrisse und ausgebohrte Augen durch waffenlosen Kampf erinnerte. Schmerzen waren gewiss ein gutes Lerninstrument, aber zu viel davon konnte einen Soldaten dabei hemmen, einem Job nachzugehen, der schließlich Leute mit nicht ganz realistischer Einschätzung ihrer Sterblichkeit erforderte.
    »Er webt jetzt Muskelfasern und dichtet aufgerissene Blutgefäße ab. All die kleinen Kapillarklemmen werden wieder entfernt. Ups, da ist kräftig was geronnen – dieses Stück wird er herausschneiden müssen.«
    Danke, Olkennon, dachte Cormac. Das musste ich wirklich erfahren.
    Er fragte: »Du hast uns also als Köder benutzt?«
    »Sie hätten jede Emulation durchschaut, die ich hätte entwerfen können«, antwortete sie. »Sie verstehen sich gut darauf, Metalle zu orten.«
    »Wer hat das Faksimile gesteuert?«
    Sie konzentrierte sich einen Augenblick lang auf sein Gesicht. »Die KI, die die Ausgrabung leitet.« Sie blickte wieder auf den Monitor des Autodoks und fuhr fort: »Er schließt jetzt die Haut – Schicht um Schicht. Das wird sich komisch anfühlen, während die Nerven heilen, aber Schmerzen dürften nicht auftreten.« Sie blickte auf und zeigte ihm ein Lächeln. Ganz sicher hätten die Prador sie als Golem erkannt und gewusst, dass sie lieber auf Distanz blieben. Olkennons Emulation war überhaupt nicht sonderlich gut.
    Begleitet von einem Zischgeräusch und dem Geruch von verbranntem Haar stieg der Autodok von Cormacs Knie auf und klappte die scharfen Gliedmaßen und weiteres chirurgisches Besteck in den Rumpf, wo es sterilisiert wurde. Er sah dabei sehr nach einem Insekt aus, das sich putzte, nachdem es beim Fressen gekleckert hatte.
    Cormac blickte auf sein Knie und stellte fest, dass es hellrot war wie von einem Sonnenbrand und ganz unbehaart. Keine Spur von aufgerissenem Fleisch oder gebrochenen Knochen. Natürlich musste die ECS-Medizintechnik auch gut sein. Es ging dabei allein um Effizienz, denn die Zeit, die ein Soldat im Krankenhaus verbrachte, war vergeudete Zeit.
    Unvermittelt kehrte das Gefühl zurück, und das war seltsam. In Cormacs Kopf überlagerten sich das Wissen von einer schweren Verletzung und die Evidenz, dass keine mehr vorhanden war. Das Bein fühlte sich heiß und kalt an – ein örtliches, grippeähnliches Phänomen – und außerdem so, als wäre es voller ihm unvertrauter Klumpen wie in die Haut eingenähte Murmeln.
    Aus Cormacs unterem Rücken zog der Autodok eine weitere Gliedmaße ein: ein langes, flaches Scharnierteil mit einer Platte am Ende, die dazu diente, Nanofasern zu extrahieren, die bis zu diesem Zeitpunkt in Cormacs Rückenmarksnerven gesteckt hatten, um jedes Gefühl unterhalb der Taille auszuschalten. Der Autodoksockel fuhr jetzt vom Operationstisch zurück, drehte sich und klappte zusammen, sodass schließlich nichts weiter von ihm zu sehen war als glatte spiegelnde Flächen.

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