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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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seines Namenswechsels taten. Cormac legte seinen P-top und die Schultasche weg und rannte zur Treppe. »Beschäftige ihn nicht zu lange – ich habe deinen Koffer mit Kleidung gepackt, und du musst dir noch überlegen, was du sonst mitnehmen möchtest.«
    Cormac kam am Fuß der Treppe rutschend zum Stehen und drehte sich um. »Wir gehen wieder weg?«
    »Ja, wir verbringen eine Woche bei Dax in Tritonia.«
    Cormac war begeistert. Tritonia! Er liebte diese Stadt, die sich – mit unregelmäßigen Lücken – von der Südküste Britanniens am Meeresgrund bis Frankreich erstreckte. Vielleicht erlaubte ihm seine Mutter, mit einer Hämolunge hinauszugehen, besonders wenn Dax ihn begleitete und auf ihn achtgab. Er stürmte die Treppe hinauf und brüllte dabei »Dax!«, hielt aber vor der Tür zum Zimmer seines älteren Bruders an. Dax, der zu Hause gewohnt hatte, bis er schließlich zum ECS-Gesundheitsdienst ging, legte Wert auf seine Privatsphäre, besonders seit Cormac mal hereingestürmt gekommen war, während Dax gerade Sex mit Marella hatte. Sie hatte nackt auf ihm gesessen und sich dabei auf und ab bewegt – und das Bild blieb für immer ins Gedächtnis des kleinen Jungen eingebrannt. Cormac klopfte an.
    Etliche Sekunden lang kam keine Reaktion, und Cormac wollte schon die Tür öffnen und einen forschenden Blick ins Zimmer werfen, als er hörte, wie sich darin jemand bewegte. Er wartete noch etwas länger und wollte schon enttäuscht in sein eigenes Zimmer gehen, als ein barsches »komm herein, Ian!« ertönte.
    »Dax! Wir reisen nach ...«
    Bei dem Anblick, der sich ihm bot, stockte er verwirrt. War das Dax? Sein älterer Bruder war früher immer ein großer, muskulöser junger Mann mit pechschwarzen Haaren und einem ungezwungenen Lächeln gewesen. Diese magere, geschafft wirkende Person mit grauen Strähnen im Haar schien gar nicht derselbe zu sein.
    »Dax«, sagte er, aber dann fiel ihm nichts weiter ein.
    Dax trug nach wie vor den Tarnanzug eines ECS-Arztes – die blaue Uniform hatte man im Krieg aufgegeben, da ein Arzt für die Prador genauso ein Ziel war wie jedes andere menschliche Wesen. Dax stand mit dem Rücken zum Fenster und rauchte eine Zigarette – etwas, das er früher missbilligt hatte, obwohl Körpernaniten die nachteiligen Wirkungen auf die Gesundheit beheben konnten. »Du bist dünn«, brachte Cormac schließlich hervor.
    Dax nickte nachdenklich und starrte mit einem Ausdruck vor sich hin, in dem Cormac nur einen vollständigen Mangel an Anteilnahme spürte. Einen Augenblick später zuckte Dax die Achseln, schüttelte den Kopf und probierte es mit einem matten Lächeln.
    »Es ist hart da draußen, kleiner Bruder«, sagte er.
    In der Hoffnung auf die Wiederkehr von ein wenig Normalität bat Cormac enthusiastisch: »Erzähl mir davon!«
    »Nein.« Keine Ausrede, keine Erklärung oder Rechtfertigung, nur nein.
    »Wie ist es denn so?«, bettelte Cormac.
    Dax schüttelte nur den Kopf und drehte sich einen Augenblick später zum Fenster um. Nach längerem Schweigen sagte er: »Wir reden miteinander, sobald wir in Tritonia sind. Vielleicht fühle ich mich dann besser ... Vielleicht.«
    Nach einer erneuten langen Pause zog sich Cormac zurück und schloss leise die Tür hinter sich.
    Sie hatten vor, am nächsten Morgen die Hyper-U-Bahn zu nehmen, und als man Cormac ins Bett schickte, sah er, wie seine Mutter eine Flasche Whisky öffnete und wie Dax in angespanntem Schweigen dasaß und eine Zigarette nach der anderen rauchte. Cormac war schon geschickt darin, Dinge in Erfahrung zu bringen, von denen er nichts wissen sollte, und er ließ seinen P-top auf dem Beistelltisch zurück, die Kamera den beiden zugewandt, das Mikrofon eingeschaltet, alle übrigen Funktionen im geräuschlosen Modus. Als er sich in sein Schlafzimmer zurückgezogen hatte, schaltete er die Zimmerkonsole ein, stellte die Verbindung zum P-top her und sah seiner Mutter und dem Bruder zu.
    »... wenn ich so weit bin«, sagte die Mutter gerade, »und falls es nicht vorher zu ihm durchdringt.«
    Dax schluckte seinen Whisky, als müsste er einen entsetzlichen Durst löschen, und fragte: »Möchtest du, dass ich ...?«
    »Nein, das wird nicht nötig sein«, antwortete sie. »Also, erzählst du es mir, Dax?«
    Noch mehr Whisky. »Was gibt es da schon zu erzählen? Da draußen läuft ein beschissener Albtraum.«
    »Aber du wusstest, dass es so sein würde.«
    Dax blickte auf etwas in der Ferne und sagte: »Unser erster Einsatz – wir

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