Der eiserne Thron
Lederfesseln, die ihn ans Bett
banden, und murmelte grimmig vor sich hin. Owen beugte
sich vor, um der leisen, hauchigen Stimme zu lauschen.
»Mutige Bemerkungen trotz schreiender Schocks … die
bleichen Harlekine sind wieder unterwegs … Liebling hat
seine Schuhe verloren … Mönche tanzen behutsam um den
Sommerstein …«
Owen richtete sich wieder auf. Er war verwirrt. Es war ganz
eindeutig Unsinn, was der Junge von sich gab, aber Owen
hatte das merkwürdige Gefühl, daß alles einen Sinn ergeben
würde, wenn er nur lange genug zuhörte. Er hob den Blick
und sah, wie Hazel zusammen mit Chance zurückkehrte. Unwillkürlich hob er seine Waffe ein wenig. Die beiden blieben
in respektvoller Entfernung vor Owen stehen, obwohl Hazel
vom Anblick seiner Waffe stärker beeindruckt zu sein schien
als Chance. Owen lächelte den großen Mann kalt an. Es spielte keine Rolle, wie groß oder stark er sein mochte oder was er
zu seiner Entschuldigung sagen würde. Jemand mußte für das
Verbrechen bezahlen, das an den Kindern begangen worden
war.
»Die Ledergurte dienen ihrem eigenen Schutz«, erklärte
Chance. Seine Stimme klang flach und unbeeindruckt. »Die
Kinder sind Esper, aber sie kommen nicht immer mit dem
klar, was ihr Bewußtsein ihnen enthüllt. Einer der Jungen hat
sich die Augen ausgekratzt, um nicht mehr sehen zu müssen.
Deshalb gehe ich keinerlei Risiko mit ihnen ein. All diese
Kinder sind auf die eine oder andere Weise zurückgeblieben.
Idioten, die die Gaben grenzenloser Erinnerungen und weitreichender Telepathie besitzen. Ihr Bewußtsein streift frei und
losgelöst durch die Stadt, während ihre Körper hier ruhen. Sie
fischen in den Gedanken der Einwohner und picken die
Klumpen an Informationen heraus, die ich benötige.
Ihre Familien verkaufen sie an mich, wenn sie nicht länger
imstande sind, für ihre Kinder zu sorgen, und ich lasse sie für
mich arbeiten. Auf Nebelwelt gibt es keinen Platz für die, die
schwach sind oder behindert. Wären die Kinder keine Esper
und damit möglicherweise nützlich, hätte man sie einfach in
der Kälte ausgesetzt und sterben lassen. Aber so kümmere ich
mich um sie, und sie kümmern sich um mich. Nur wenige
halten längere Zeit durch. Wenn sie zu mir kommen, haben
sie bereits ein hartes, brutales Leben hinter sich. Zum Glück
gibt es immer genug Nachschub, um die zu ersetzen, die ausbrennen und sterben. Seht mich nicht so an, Todtsteltzer! Ich
sorge für die Kinder, solange sie bei mir sind. Was davor mit
ihnen geschehen ist und was danach kommt, liegt außerhalb
meines Einflusses.
Vielleicht können wir jetzt zum geschäftlichen Teil kommen. Meine Kinder haben mir berichtet, daß Ihr kommen
würdet, und sie haben mir auch den Grund verraten. Ihr habt
nicht viel Zeit. Wenn meine Esper schon von Eurem Kommen
wissen, dann könnt Ihr Gift darauf nehmen, daß auch andere
Bescheid wissen. In Nebelhafen gibt es keine verdammte Privatsphäre. Das ist die Strafe dafür, daß man in einer Stadt
voller Telepathen mit lockerem Mundwerk lebt. Natürlich
habe ich keinerlei Grund, mich deswegen zu beschweren –
wie Ihr Euch sicher denken könnt. Immerhin lebe ich davon,
und das gar nicht schlecht. Macht Euch keine Gedanken wegen meiner Bezahlung. Der vorherige Lord Todtsteltzer hat
ein Guthaben bei uns. Er hinterließ mir Anweisungen für den
Fall, daß Ihr Euch jemals hier blicken lassen und um Hilfe
nachsuchen würdet. Ich soll Euch bei Eurer Suche nach Jakob
Ohnesorg behilflich sein und Euch zu ihm führen. Wollt Ihr
Euch für den Rest des Tages an Eurem Schwert festhalten,
Todtsteltzer? Oder werdet Ihr uns erlauben, daß wir Euch helfen?«
»Ich denke noch darüber nach«, entgegnete Owen schroff.
»Wie erklärt sich Eure Verbindung zu meinem Vater?«
»Er hat Abraxus erst ermöglicht. Es war meine Idee, aber
sein Geld. Er sah die Vorteile einer solchen Einrichtung. Für
das von ihm zur Verfügung gestellte Geld mußte ich nur alle
Informationen, die meine Kinder ans Licht brachten, an ihn
weiterleiten. Euer Vater war ein weit vorausschauender Mann,
Todtsteltzer, und immer bereit zu einem Experiment.«
»Er war immer bereit, seinen Profit aus allem zu schlagen«,
erwiderte Owen. Zögernd steckte er sein Schwert weg. »Üblicherweise zum Nachteil von Dritten. Wie viele Kinder sind
hier gestorben, seid Ihr Abraxus ins Leben gerufen habt?«
»Zu viele. Aber sie wären so oder so gestorben. Ich halte sie
am Leben, so lange ich
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