Der eiserne Tiger
erleichtert auf und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ach, Jack, da bin ich aber froh.«
»Eine erstaunliche Feststellung
für ein anständiges QuäkerMädchen«, meinte
er. »Nun stellen Sie mich aber bloß nicht auf ein Podest.
Ich mache das nicht aus irgendwelchen politischen Beweggründen,
sondern ausschließlich des Geldes wegen.«
»Sie glauben also nicht, daß die Tibetaner eine reelle Chance haben, zu gewinnen?«
Er lachte verbittert. »Daran
ist nicht einmal im Traum zu denken. Ihre Schlacht wird anderswo
geschlagen und gewonnen oder verloren werden. In Vietnam, Malaysia,
Sarawak - vielleicht auch bei den Vereinten Nationen. Aber wir sollten
lieber das Thema wechseln. Wir können doch nichts daran
ändern. Wo möchten Sie denn gern essen?«
»Auf keinen Fall in einem
dieser Touristen-Nepplokale, sondern in einem Restaurant mit echter
Atmosphäre. Ich möchte das wahre Indien kennenlernen.«
»Das spricht für Sie. Wir werden schon noch eine Frau aus Ihnen machen.«
Sie näherten sich dem Zentrum
Jumas. Drummond tippte dem Kutscher auf die Schulter und bat ihn
anzuhalten. »Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter. Wenn Sie
das echte Indien sehen wollen, werde ich es Ihnen zeigen.«
Er entlohnte den Kutscher und nahm
Janets Arm. Im Zentrum ging es sehr geschäftig zu.
Straßenhändler boten warme Gerichte an. Sie hockten neben
ihren Holzkohlenfeuern und schoben Töpfe und Pfannen hin und her.
Es roch nach Gewürzen und gekochtem Fleisch. In der kühlen
Nachtluft stieg ein erregendes Duftgemisch auf. Dann gelangten sie in
die Altstadt. An den Häusern hingen Laternen, und durch den Basar
bewegte sich ein noch größerer Menschenstrom als bei Tage.
Die Menschen ergingen sich um diese Zeit hier, um in den Genuß
der herrlich kühlen Nachtluft zu kommen. Überall Stände
mit Unmengen von Papierblumen, minderwertigen Plastiksandalen aus
Hongkong, Aluminiumtöpfen und Pfannen, die hier irgendwie fehl am
Platze schienen.
Kunsthandwerker saßen im
Schneidersitz hinter den Ständen mit Messinggeräten und
übten neben den Silberschmieden und Schneidern noch immer ihr
altes Handwerk aus. Man konnte zum Beispiel zusehen, wie herrliche
Stoffe kunstvoll bestickt wurden.
Auch Buchara-Teppiche wurden
angeboten, ebenso Läufer oder Brücken aus Isfahan. Am anderen
Ende des Basars warteten Prostituierte in ihren Verschlagen auf Kunden.
Sie waren ganz offen für jedermann sichtbar, die Vorhänge
waren nicht einmal zugezogen. Die Mädchen und Frauen, die ihre
Körper so offen darboten, waren unverschleiert und grell
geschminkt. Die Nacht bedeckte alles mit einem gnädigen Schleier
und ließ nur noch ahnen, was am Tage häßlich,
entstellt, schmutzig und krank erschien.
Sie zwängten sich durch die
Menge, wurden geschoben und gestoßen, und Drummond mußte
ständig Bettler abwehren, die ihn um Almosen angingen.
Schließlich bogen sie in eine kleine, ruhige Gasse ein, die zum
Fluß führte. In der Ferne wurde irgendwo musiziert. Die
Musik wurde lauter, und bald standen sie vor einer schmalen Tür
mit Rundbogen.
»Sie wollten das wahre Indien
kennenlernen. Hier ist es.« Sie gingen durch einen langen Gang
und gelangten zu einem Treppenabsatz, von dem aus eine Treppe in einen
großen quadratischen Raum hinunterführte.
In diesem Raum saßen viele
Inder - fast nur Männer in Landestracht. Alle vertilgten
Riesenportionen und unterhielten sich dabei lautstark.
Auf einer Art Bühne in der Mitte
des Raumes saß ein junger weibischer Tabla-Spieler mit
kohlschwarz umrandeten Augen und trommelte mit geradezu aufreizender
Geschicklichkeit. Dabei ließ er seine Blicke gelangweilt durch
den Saal schweifen. Sein Hochmut war durch nichts zu überbieten.
Ihn begleitete ein schon älterer Mann in ausgebeulten weißen
Hosen und einem dreiviertellangen Gehrock, zugeknöpft bis zum
Hals. Er machte einen ungeheuer würdevollen Eindruck und spielte
die Zita, w obei seine Finger mit unglaublicher Gewandtheit über die Saiten glitten.
Ein adretter kleiner Hindu mit
scharlachrotem Turban näherte sich ihnen freundlich lächelnd.
Aus seinen Blicken sprach offene Bewunderung, als er Janets ansichtig
wurde. »Wünschen Sie einen Tisch, Mr. Drummond?
Wünschen Sie zu speisen?«
»Ich glaube, lieber eine Nische.«
Sie bahnten sich ihren Weg zwischen
den Tischen hindurch. Aller Augen wandten sich voller Bewunderung Janet
zu. Ein paar Inder klatschten sogar Beifall. Die Blicke
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