Der eiserne Tiger
briet. Drummond grüßte ihn in Urdu.
»Was tun Sie eigentlich in
Baipur, außer daß Sie Waffen für Mr. Cheung
einfliegen?« fragte sie ihn schließlich nach einer Weile.
»Ich betreibe Landvermessung
und schreibe Gutachten für die indische Regierung und
befördere Fracht oder auch Passagiere. Alles was mir so über
den Weg läuft.«
»Und davon kann man leben?«
»Schlecht. Aber Cheung zahlt
gut für die Flüge nach Tibet. Außerdem höre ich
sowieso bald auf. Ich habe langsam genug von diesem Teil der
Welt.«
»Meinen Sie Baipur?«
»Ja, unter anderem.«
»Wie ist es denn dort?«
Er zuckte die Achseln.
»Schroffe, gefährliche Berge. Die Hauptstadt hat dreitausend
Einwohner und ist eigentlich nur ein Dorf, das aus allen Nähten
platzt. Die Armee, falls sie überhaupt diesen Namen verdient,
besteht aus 75 Leuten. Im Winter ist es dort höllisch, also in
einem Monat. Selbst bei gutem Wetter sind die Straßen dort die
schlimmsten der Welt, doch im Winter sind sie zugeschneit und
völlig unbrauchbar.«
»Und was ist der Khan für ein Mensch?«
»Der ist ein alter Bergadler,
stolz wie Luzifer. War seinerzeit ein mächtiger Krieger. Für
sein Volk ist er etwas ganz Besonderes. Nicht nur König, sondern
auch Priester. Und das ist wirklich eine Auszeichnung. Sein Sohn Kerim
wird Ihnen gefallen. Ein Jammer, daß er diesen Unfall hatte. Ich
hoffe, daß Ihre Leute in Chicago ihn wieder hinkriegen.«
»Er ist acht, nicht wahr?«
»In drei Monaten wird er neun.«
»Ich habe Anweisung, mich bei
meiner Ankunft mit einem Father Kerrigan in Verbindung zu setzen.
Anscheinend wird er alles arrangieren.«
»Father Kerrigan muß man
einfach mögen«, sagte Drummond. »Er ist etwa sechzig
Jahre alt, ein wundervoller alter Ire, der einfach nicht aufgibt. Er
ist seit zwölf Jahren in Sikkim, hat in dieser Zeit keinen
einzigen Menschen bekehrt, doch die Leute beten ihn an. Es ist wirklich
fantastisch.«
»Aber was fängt er denn mit seiner Zeit an, wenn er keine Gemeinde hat?«
»Er ist zufällig auch noch
ein ausgezeichneter Arzt. Leitet ungefähr eine Meile
außerhalb von Sadar ein kleines Missionsspital, ohne jede Hilfe.
Dort oben lebt auch noch ein anderer Europäer, ein Mann namens
Brackenhurst. Er ist als Geologe für irgendeine britische Firma
tätig. Sie haben ihn auch zum britischen Konsul ernannt, aber
davon dürfen Sie sich nicht beeindrucken lassen. Das hat gar
nichts zu sagen.«
»Wie ich sehe, mögen Sie ihn nicht.«
»Nicht sonderlich.«
Er blieb stehen, um sich noch eine
Zigarre anzustecken. Da fragte sie ihn: »Warum sind Sie nicht
mehr bei der Navy, Jack?«
Er hielt mitten in der Bewegung inne,
das Streichholz flackerte auf, und seine Augen lagen im Schatten.
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
Als sie schwieg, zuckte er die
Achseln und warf das Streichholz weg. »Sie haben mich
rausgeworfen oder mir geraten zu gehen, was bei einem Berufsoffizier so
ziemlich auf das gleiche hinausausläuft.«
Sie spürte, daß es ihm weh
tat, darüber zu sprechen, überhaupt daran erinnert zu werden.
Instinktiv legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Aber wie ist es
denn dazu gekommen?«
»Während des Koreakrieges
war ich Pilot der Marineluftwaffe. An einem strahlend schönen
Julimorgen im Jahre 1952 habe ich meine Staffel auf das falsche Ziel
angesetzt. Als wir wegflogen, war alles nur noch ein rauchender
Trümmerhaufen. Wir hatten gute Arbeit geleistet. Es ist uns
gelungen, dreiundzwanzig amerikanische Seeleute und zehn
Truppenkommandos der Königlichen Marine zu töten, die dort
gedient hatten.«
Verwirrt fragte sie: »Aber wie konnte denn das geschehen?«
»Ich bin bei der Befehlsausgabe für den Flugeinsatz falsch informiert worden.«
»Aber dann trifft Sie doch keine Schuld.«
»Kommt ganz drauf an, von
welcher Seite man die Sache betrachtet. Wenn ich meine Befehle
sorgfältiger überprüft hätte, wäre mir der
Irrtum aufgefallen. Das Dumme ist nur, daß ich zu müde dazu
war. Völlig übermüdet. Zu viele Flugeinsätze und
nie genug Schlaf. Ich hätte mich schon Wochen zuvor dagegen
sperren sollen, habe es aber nicht getan.«
»Man konnte Sie also nicht vors Kriegsgericht bringen?«
»Eine geheime Unterredung mit
jemandem, der vor Auszeichnungen nur so troff, und die Sache war
geritzt. Ich durfte gehen.«
»Es tut mir so leid, Jack. Ganz entsetzlich leid.«
Ihre Stimme klang
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