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Der eiserne Tiger

Der eiserne Tiger

Titel: Der eiserne Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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spärlich möbliert - mit einem
Eßtisch, ein paar Stühlen und Bücherregalen.
      »Ich bin gleich wieder
da«, erklärte Drummond, ging durch das Zimmer und entschwand
durch eine andere Tür.
      Langsam ging Janet durch das Zimmer,
sah sich alles an und blieb schließlich vor den
Bücherregalen stehen. Sie entdeckte eine holzgeschnitzte
Tänzerin - aus irgendeinem dunklen und unglaublich harten Holz.
Sie nahm sie in die Hand, um sie genauer betrachten zu können. Die
Brüste waren von einer Reife, daß sie fast lebendig wirkten,
die Hände hielt sie in einer der vorgeschriebenen Posen, das
Gesicht war ernst, der Blick ins Weite gerichtet. Janet hörte ein
leises Geräusch, fuhr herum. In der Tür, die auf den Gang
hinausführte, stand eine Frau. Sie war Inderin wie die
Haushälterin, mußte jedoch noch sehr jung sein. Sie hatte
makellose, blasse Haut, was der scharlachrote Sari noch betonte. Sie
trug eine silberne Kette um den Hals, goldene Armbänder an den
Handgelenken, und ihre dunklen Augen waren schwarz umrandet.
      Im gleichen Augenblick kam Drummond
aus dem Schlafzimmer herein. Ganz ruhig sagte er etwas in Urdu zu dem
Mädchen, das daraufhin sofort verschwand.
      »Wer war denn das?« fragte Janet.
      »Das ist Famia, die Tochter des
alten Mädchens.« Er nahm ihr sanft die holzgeschnitzte
Tänzerin aus der Hand. »Gefällt Ihnen das?«
    »Ja, das ist wohl sehr alt. «
      »Greco-buddhistisch.
Wahrscheinlich aus dem zweiten Jahrhundert. So was findet man
überall in Baipur. Der Buddhismus hat hier, wie gesagt, einmal
eine große Rolle gespielt. Ich meine den echten Buddhismus, nicht
die verwässerte Form, die man heute noch gelegentlich antrifft.
Hier hat es einmal viele Klöster gegeben.«
      »Gibt es noch welche?«
      »Das eine oder andere.«
Er sah auf die Uhr. »Wir müssen weiter. Es ist schon fast
elf Uhr. Um halb zwölf fängt Father Kerrigan für
gewöhnlich an zu operieren. Wir müssen ihn vorher noch
erwischen.«
      Sie gingen zum Jeep hinaus. Er half
ihr hinein und fuhr los, als sei nichts geschehen. Jetzt war alles
anders. Eine gespannte Atmosphäre herrschte zwischen ihnen,
während sie vorher ganz unbefangen miteinander umgegangen waren.
      Janet dachte an das Mädchen,
seinen herrlichen Körper und seine makellose Haut, deren
Blässe so frappierend gegen den scharlachroten Sari abstach. Ein
heißer Schmerz stieg in ihr auf, den sie sich selbst nicht
erklären konnte.
      Das Missionsgebäude lag auf
einem Hügel über dem Fluß. Es war ein langgestreckter,
niedriger Flachbau, von einer grauen Steinmauer umgeben, wie es in
diesem öden Land Sitte zu sein schien. Der winzige Glockenturm
einer kleinen Kapelle überragte das Missionsgebäude.
      Auf dem spärlichen Gras vor dem
Eingang tummelten sich Ziegen, Schafe und ein paar kleine Pferde.
Dreißig oder vierzig Leute warteten geduldig. Sie hockten auf dem
Boden oder lehnten an der Mauer.
      Als Drummond herunterschaltete, um
hineinfahren zu können, beugte sich Janet aus dem Jeep. Mit
geschultem Auge erkannte sie sofort, woran die Leute in der Hauptstadt
litten. Bei den Kindern herrschten Rachitis und scherende Flechten vor.
Die Alten hatten halb zerfressene Gesichter, ihre Augen waren ganz
verkrustet von angetrocknetem Eiter. Manche hatten auch gebrochene Arme
oder Beine, notdürftig geschient oder verbunden.
      »Das kann er doch
unmöglich alles allein schaffen«, sagte sie und wandte sich
Drummond wieder zu. Drummond hielt an der Treppe vor dem Eingang.
      Er stellte den Motor ab und nickte.
»Ich weiß auch nicht, wie er das macht, aber er schafft es.
Er hat nur eine alte Frau, die kocht, sonst niemanden. Da kommt sie
ja.«
      Die Frau, die die Tür
öffnete und auf die Veranda hinaustrat, hatte das gleiche
alterslose mongolische Gesicht wie die Leute auf dem Marktplatz in der
Stadt, doch sie trug einen langen Baumwollrock und eine Khakijacke der
indischen Armee mit Stoffepauletten. Sie hatte ein rotes Tuch um den
Kopf geschlungen und trug goldene Ohrringe, was ihr das Aussehen einer
Zigeunerin verlieh. Drummond ging mit Janets beiden Koffern die Treppe
hinauf, stellte die Koffer oben ab und sprach langsam in englisch mit
ihr, wobei er auf eine deutliche Aussprache achtete. Dann ging er die
Treppe wieder hinunter und nahm Janets Arm.
      »Er ist in der Kapelle.«
      Sie gingen über den Hof zu der
kleinen Kapelle aus grauem Gestein. Drummond öffnete die schwarze
Holztür, und sie betraten die Kapelle.

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