Der eiserne Tiger
schmerzliche Pflicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Ach, wirklich?« meinte
der Geistliche angriffslustig, schob seinen Stuhl zurück und erhob
sich mit dem Glas in der Hand. »Wenn Eure Hoheit so gut sein
wollen vorauszugehen, können wir ja wieder mal eine Partie
spielen, schon um Sie Lügen zu strafen.«
»Mit Vergnügen.« Der
Khan erhob sich ebenfalls und sah seine Gäste fragend an.
»Meine Herren?«
Hamid sah Drummond und Sher Dil an. »Billard?«
Beide nickten. Da lächelte
Cheung Janet über den Tisch hinweg zu. »Miß Tate und
ich bleiben also uns selbst überlassen. Wenn es der Khan erlaubt,
könnte ich ihr vielleicht die Schätze des Palastes
zeigen.«
»Ja, bitte tun Sie das. In
spätestens einer Stunde habe ich diesen aufsässigen
Geistlichen zu Fall gebracht.«
»Was Sie nicht sagen!«
knurrte Father Kerrigan leicht verärgert. Damit verabschiedeten
sie sich vorübergehend.
Hamid, Sher Dil und Drummond steckten
zu einer kurzen Lagebesprechung eine Weile die Köpfe zusammen. Sie
hatten über Funk einen Bericht vom Hauptquartier der indischen
Streitkräfte erhalten. Es ging um das Aufeinandertreffen von
Patrouillen im Grenzgebiet von Ladakh. Auch Cheung war zu ihnen
getreten. Janet ging zum Fenster und blickte in den Park hinaus.
Ein herrlicher Park. Auf der Terrasse
standen in regelmäßigen Abständen große
Krüge, die aus dem alten Griechenland hätten stammen
können. Diese Krüge oder Vasen waren mit Iris gefüllt.
Der schwere Duft von Hibiskus hing in der Luft. Unten standen an der
Mauer entlang schlanke Zypressen wie aufrechte Wachsoldaten und
zeichneten sich dunkel gegen den Himmel ab. Es war eine Vollmondnacht.
Cheung trat wieder neben sie.
»Dieser krasse Gegensatz ist
irgendwie erschreckend, finden Sie nicht auch? Diese unbeschreibliche
Schönheit hier, dieser nächtliche Park - und jenseits der
Mauern das karge, unfruchtbare Land, dem man kaum das Nötigste zum
Leben abringen kann.«
»War das schon immer so?«
Er nickte. »In alten Zeiten
sind die Stammesangehörigen wie hungrige Wölfe in Indien
eingefallen. Ihr Name bedeutete Grausamkeit. Aber die Zeiten sind
vorbei. Jetzt müssen sie von dem leben, was der Boden hergibt. Und
das ist wenig.«
»Kann man da gar nichts machen?«
Cheung zuckte die Achseln. »Wer
weiß? Vielleicht kommt Brackenhurst ja bald zu einem Ergebnis,
und es stellt sich heraus, daß Mineralablagerungen vorhanden
sind, womit sich etwas anfangen läßt. Der Khan setzt
große Hoffnungen darauf, aber ich bezweifle, daß sich die
Sache lohnt. Brackenhurst wäre nicht der erste Geologe, der hier
nur seine Zeit verschwendet und unverrichteter Dinge wieder abziehen
muß.«
»Aber Hamid hat mir erzählt, daß die Regierung in Peking Anspruch auf Baipur erhebt.«
»Das gilt auch für Nepal,
Bhutan und Teile von Assam.« Er zuckte die Achseln. »Worte,
nichts als Worte. Um jedoch der Wahrheit die Ehre zu geben - es
bestehen kaum Zweifel daran, daß Baipur tatsächlich einmal
zum Kaiserreich China gehört hat. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas
zeigen.«
Sie folgte ihm in die große
Eingangshalle, wo Cheung eine Tür öffnete. Janet war
gänzlich unvorbereitet auf das, was sie nun zu sehen bekam.
An den Seitenwänden des Raumes
entlang standen Glasvitrinen, deren Innenbeleuchtung Cheung soeben
eingeschaltet hatte. Die Vitrinen schienen in dem ansonsten dunklen
Raum zu schweben. Ein kleiner Schrei der Bewunderung entfuhr ihr, als
sie sah, was in diesen Vitrinen ausgestellt war. Es war die
exquisiteste Sammlung der unterschiedlichsten Gefäße, die
sie je gesehen hatte.
Sie erblickte fast durchscheinend
helle Alabastervasen und sorgfältig gearbeitete glasierte Urnen in
Rot und Schwarz - die Farben noch so frisch wie an dem Tag, an dem sie
gebrannt worden waren.
Die meisten Gefäße waren
zweifellos chinesischen Ursprungs, andere zumindest stark chinesisch
angehaucht. Auch eine Sammlung von Statuen und kleinen Figürchen
gab es hier. Wie jenes in Drummonds Bungalow.
»Jack hat auch so eins«,
sagte sie. »Er hat mir erklärt, es sei
griechisch-buddhistisch.«
»Ganz recht. Wie Sie ja sicher
wissen, ist Alexander der Große bis Indien vorgedrungen. Es ist
wirklich erstaunlich, wie sehr die Kultur Griechenlands das ganze
Grenzgebiet beeinflußt hat, und doch wird in der indischen
Literatur der Name Alexanders des Großen nicht einmal
erwähnt.«
Sie fuhr vorsichtig
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