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Der eiserne Tiger

Der eiserne Tiger

Titel: Der eiserne Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Sie war nur schwach
beleuchtet. Vorn am Altar flackerten Kerzen, die Statue der
Muttergottes schien aus der Dunkelheit auf sie zuzuschweben.
      Father Terence Kerrigan kniete, ins
Gebet versunken, vor dem Altar, das kantige irische Gesicht ganz
entspannt und fast kindhaft rein. Sein weißes Haar glänzte
wie Silber. Als er sich bekreuzigte und aufstand, bemerkte Janet zu
ihrem Erstaunen, wie groß er war - groß und baumstark.
Seine Schultern waren so breit wie die Hamids.
      Er wandte sich um, kniff seine
kurzsichtigen Augen zusammen, als er ihrer ansichtig wurde, und ging
dann lächelnd auf sie zu.
      »Ach, Jack, Sie sind es. Und
das ist sicher Miß Tate.« Er ergriff ihre Hände und
drückte sie fest. »Wie schön, Sie hier zu haben, meine
Liebe. Oberst Dil hat mir mitgeteilt, daß Sie heute kommen
würden. Ali Hamid hat ihn gestern abend über Funk
benachrichtigt.«
      »Ich komme mir vor wie eine
Hochstaplerin, Father«, sagte sie entschuldigend. »Sie
haben doch sicher einen Arzt erwartet?«
      »Unsinn, meine Liebe. Eine
tüchtige ausgebildete Krankenschwester, die zwei Jahre in
Flüchtlingslagern in Vietnam Dienst getan hat, ist genau das, was
ich brauche.« Er kicherte, als sie ihn erstaunt ansah.
»Major Hamid ist eben ein gründlicher Mensch und stets
bestens informiert.«
      Sie gingen über den Hof und
betraten das Missionsgebäude. Aus der Eingangshalle war ein
Krankenrevier mit Arzneiausgabestelle geworden. Die Wände waren
weiß gestrichen. Medikamente und Instrumente lagen ordentlich in
weißgestrichenen Regalen. Alles machte einen ordentlichen,
sauberen und vertrauenerweckenden Eindruck.
      »Hier spielt sich fast alles
ab, und da ich der einzige Arzt in Baipur bin, von einigen Quacksalbern
abgesehen, muß meist alles rasend schnell gehen.« Er sah
auf die Uhr. »In genau fünfzehn Minuten können Sie sich
selbst davon überzeugen.«
      »Wie geht es meinem Patienten?« erkundigte sich Janet.
      »Kerim?« Der alte Mann seufzte. »Offen gesagt, nicht besonders
    gut. Hier bei mir ist er natürlich unter
ständiger Aufsicht. Der Khan wollte unbedingt, daß ich mich
bei ihm im Palast einquartiere, aber das mußte ich natürlich
ablehnen. Schließlich habe ich ja auch noch andere
Patienten.«
      »Ist bei Kerim noch keine Besserung eingetreten?«
      »Doch. Er hatte hohes Fieber, scheint jetzt aber über den Berg zu
    sein. Trotzdem glaube ich, daß wir noch ein
paar Tage warten sollten, bevor wir so eine lange Reise in Betracht
ziehen.«
      »Soll Janet also hierbleiben?« fragte Drummond.
      »Wenn sie es bei so einem schrulligen alten Narren aushält.«
    Father Kerrigan lächelte. »Möchten Sie rasch einen Blick zu Kerim hineinwerfen?«
      Er ging durch einen schmalen,
weißgestrichenen Gang voraus und öffnete links eine
Tür. Der Junge schlief. Er sah ganz zart und zerbrechlich aus,
hatte den Kopf zur Seite gedreht und trug eine dicke Bandage über
dem linken Auge. Auf Zehenspitzen zogen sie sich wieder zurück.
      Der Priester öffnete eine
Tür auf der anderen Seite des Ganges und bat Janet in ein kleines
Zimmer, in dem ein schmales Bett und ein Wandschrank standen. Etwas
luxuriöser wirkte lediglich der dicke Schafwollteppich. Man hatte
einen Blick auf die Veranda hinaus und den dahinterliegenden,
völlig verwilderten Garten.
      »Mehr kann ich Ihnen leider nicht bieten«, meinte er entschuldigend.
      »Das ist ein Palast im Vergleich zu dem, was ich aus Vietnam gewohnt bin.«
      Sie kehrten ins Krankenrevier
zurück. Drummond stand an der Tür und blickte hinaus. Der Hof
hatte sich mit Leuten gefüllt, die alle miteinander im Staub
hockten und geduldig darauf warteten, daß der alte Priester mit
seiner Sprechstunde begann.
      Wieder blickte dieser auf die Uhr und
schnalzte mit der Zunge. »Schon fünf Minuten
Verspätung. Wie soll ich das bloß aufholen? Ich muß
mich jetzt verabschieden, Jack. Wir sehen Sie dann heute abend im
Palast, nehme ich an.«
      »Ja, sicher.«
      Drummond wandte sich Janet zu, doch
sie legte Father Kerrigan die Hand auf den Arm, als dieser gerade gehen
wollte. »Darf ich Ihnen helfen, Father?«
      Der alte Mann sah prüfend aus
seiner Höhe auf sie hinunter. Langsam breitete sich ein
Lächeln auf seinem zerfurchten Gesicht aus, und er sagte:
»Aber gern, meine Liebe. Warten Sie, ich hole Ihnen einen
Kittel.«
      Sie nickte Drummond nur kurz zu. »Also bis heute abend, Jack.«
      Sie wandte sich ab, schien ein

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