Der eiserne Tiger
den Hang hinunter, glitten immer wieder aus und gelangten schließlich an ein steiniges Flußbett. Sie durchquerten es und kletterten auf der anderen Seite zu einer unbefestigten Straße hinauf. Achmed gebot ihnen Schweigen, als aus dem Nebel plötzlich ein Haus mit Flachdach auftauchte.
»Bandong«, flüsterte er.
Die Motoren der Lastwagen waren abgestellt worden. Mit dem Motorengeräusch schien die ganze Welt erstorben zu sein. Eine vage Furcht ergriff Besitz von Drummond, doch dann hörte er die rauhe, vertraute irische Stimme und rannte zwischen den Häusern zu beiden Seiten der Straße hindurch.
Vier Lastwagen waren hintereinander geparkt, alte Viertonner Marke Bedford - in Richtung Indien geparkt. Father Kerrigan stand barhäuptig im Regen und sprach mit einem Stammesangehörigen in Lammfellmantel und Pelzmütze, der ein altes Enfield-Gewehr
303 in der Hand hielt und ein kleines, gedrungenes Bergpferd am Zügel führte.
Sie fuhren herum, als Drummond einen Stein lostrat. Der Mann im Pelz war Oberst Sher Dil.
»Gelobt sei Jesus Christus«, sagte Father Kerrigan leise.
Die Tür eines der Lastwagen wurde aufgestoßen. Janet Tate sprang heraus. Sie trug noch die gleiche Kleidung wie auf dem Herflug - pelzgefütterte Stiefel, Cordhosen und die Lammfelljacke, die Drummond ihr besorgt hatte. Doch das fiel ihm gar nicht auf. Er sah nur ihre Augen und die tiefe, ungläubige Freude, die sich darin spiegelte, als sie auf ihn zugerannt kam.
9. Kapitel
KRIEGSRAT
Ein Unteroffizier und drei einfache Soldaten kamen langsam näher. Die Neugier stand ihnen im Gesicht geschrieben. Hinter ihnen her kam zögernd Tony Brackenhurst, den linken Arm bandagiert.
»Wir haben nicht damit gerechnet, einen von Ihnen lebend wiederzusehen«, sagte Father Kerrigan. »Die Chinesen haben so blitzschnell zugeschlagen, daß sie uns um Haaresbreite erwischt hätten. Wir konnten uns gerade noch in letzter Minute davonmachen. Ich bin stromaufwärts nach Quala gefahren und mußte feststellen, daß die Autofähre schon zerstört war. So konnten die Chinesen wenigstens nicht gleich über den Fluß, zumindest nicht mit ihren Truppentransportern. Alle im Dorf sind mit kleinen Booten übergesetzt worden.«
»Mr. Brackenhurst erschien, während wir noch darauf warteten, an die Reihe zu kommen«, fuhr Janet fort. »Er hatte schlimme Verbrennungen erlitten. Er hat uns erzählt, was in Sadar vorgefallen ist. Er hatte geglaubt, als einziger davongekommen zu sein.«
»Zunächst sah es wirklich danach aus«, erklärte Hamid ruhig.
Brackenhurst war leichenblaß und schwankte. Er hielt sich an der Klappe des Lastwagens fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zwei der Soldaten traten zu ihm und stützten ihn. Da meinte Father Kerrigan: »Ich finde, Sie sollten sich wieder hinlegen, mein Junge, Sie sehen nämlich gar nicht gut aus. Würden Sie sich um ihn kümmern, Janet?«
Schwankend ging Brackenhurst - von den Soldaten gestützt - davon. Janet ging hinter ihnen her. Der Geistliche wandte sich wieder den anderen zu.
»Ich war noch nie im Leben so überrascht wie vor zehn Minuten, als plötzlich dieser Stammesangehörige hier aus dem Nebel
auftauchte und sich als Sher Dil entpuppte.«
»Ich bin vor ungefähr vier Stunden zu Fuß angekommen«, erklärte Sher Dil. »Als ich den Dorfbewohnern sagte, was im Gange war, beschlossen sie, in die Berge zu fliehen, solange noch Zeit dazu war. Sie wollten, daß ich mich ihnen anschließe, aber ich hatte Drummond und Major Hamid gebeten, hierher zu kommen, sollte es ihnen gelingen, irgendwie über den Fluß zu kommen.« Er grinste. »Ich hatte schon befürchtet, Sie würden es nicht schaffen.«
»Es wäre auch fast schiefgegangen«, mischte sich Hamid jetzt ein. »Sie haben darauf bestanden, uns noch ein Weilchen dazubehalten. Übrigens wird es Sie sicher interessieren, daß unser Freund Cheung als Oberst für den Geheimdienst tätig ist.«
»Grundgütiger Himmel!« rief Father Kerrigan aus. »Sind Sie sicher?«
»Wir haben es am eigenen Leibe erfahren, Father, und haben deshalb keinen Grund, daran zu zweifeln«, erwiderte Drummond. »Wie geht es übrigens Kerim?«
»Er verkraftet das alles erstaunlich gut. Natürlich hat er es bisher auch noch nicht sonderlich schwer gehabt. Nachdem wir den Fluß überquert hatten, haben wir zwar neun oder zehn Meilen auf einem Ochsenkarren zurückgelegt, doch dann sind wir auf den Konvoi
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