Der eiserne Tiger
etwas davon. Und wir haben jetzt wirklich andere Sorgen.« Ruhig und unnachgiebig stand er da im Regen. »Legen Sie sich lieber wieder hin. Ruhen Sie sich aus, solange noch Gelegenheit dazu ist. « Er hob die Maschinenpistole auf und reichte sie Brackenhurst. »Die nehmen Sie wohl besser wieder mit.«
Brackenhurst stolperte ohne ein weiteres Wort davon, und Drummond ging zu seinem Baum zurück. Nach einer halben Stunde löste ihn Sher Dil ab. »Irgendwelche Vorkommnisse?«
Drummond schüttelte den Kopf. »Nein, hier ist alles ruhig«, erklärte er und trottete durch den Schlamm zum Camp zurück.
Er stieg über die Ladeklappe in den Lastwagen, legte sich hin und zog sich eine Decke über die Schultern. Er fror entsetzlich, seine Hände und Füße spürte er kaum noch, und doch fühlte er sich nicht einmal besonders elend. Das lag längst hinter ihm. Er war wie betäubt.
Als er erwachte, wußte er nicht sofort, wo er sich befand. Er gähnte und drehte sich auf die Seite. Janet hockte vor dem Spirituskocher und wartete darauf, daß das Wasser im Kessel kochte. Ihr Gesicht lag in dem schwachen Schein halb im Dunkeln.
»Wie spät ist es?« fragte er leise.
Sie sah auf ihre Uhr. »Kurz nach drei. Ich konnte nicht schlafen.«
Sie goß Tee in zwei Blechbecher und reichte ihm einen. Dann saßen sie schweigend nebeneinander und starrten in die Flammen. Schließlich fragte er ganz sanft: »Was ist denn, Janet? Hast du Angst?«
»Ja, ich fürchte mich«, gab sie zu. »Trotz Vietnam war ich nicht auf so etwas vorbereitet. Glaubst du, es wird uns wirklich gelingen, über die Grenze zu kommen?«
Er war versucht, ihr diese tröstliche Zusicherung zu geben, doch als er ihr in das ernste, ruhige Gesicht sah, konnte er das einfach nicht mehr. »Ich weiß es nicht. Wie Sher Dil ganz richtig sagte, könnten uns die Chinesen schon überrundet haben, wenn sie am anderen Flußufer schnell genug vorangekommen sind. In Huma oder einem der anderen Dörfer am Fluß werden sie mit Sicherheit Boote finden. Dann könnten sie mit Leichtigkeit übersetzen und uns den Weg abschneiden.«
»Was ist denn mit dieser von Sher Dil erwähnten Brücke vor uns? Ob wir dort wohl Schwierigkeiten bekommen werden?«
»Schwierigkeiten kann es immer geben. Warum zerbrichst du dir jetzt schon den Kopf darüber? Das hat doch keinen Sinn. « Er lächelte. »Was hast du vor, wenn das hier überstanden ist?«
»Nun, vermutlich werde ich Kerim nach Chicago bringen. Das nehme ich mir ganz fest vor, wie es auch sonst weitergehen mag. Mir stehen sowieso noch drei Monate Urlaub zu.«
»Und was willst du dann tun?«
»Das weiß ich noch nicht. Wohin mich die Gesellschaft schickt, dahin werde ich gehen.«
»Glaubst du nicht, daß es an der Zeit ist, sich häuslich
niederzulassen?«
»Soll das ein Antrag sein?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann dir zwar Geld bieten, Janet, sogar mehr als genug. Aber was hätte ich dir sonst schon zu bieten? Ich bin vierzig Jahre alt, ein schwer angeschlagener, sehr gebeutelter ehemaliger Flieger der Marineluftwaffe, der zu viele heiße Länder und fremde Städte kennengelernt hat und der die Nase gestrichen voll davon hat, in Gegenden zu fliegen, wo niemand sonst hinfliegen will. Ich möchte mein müdes Haupt eine Weile irgendwohin legen und mich ausruhen. Ich glaube kaum, daß ich so ein guter Fang bin.«
»Eins steht fest«, erwiderte sie ruhig, »wenn wir es nicht miteinander versuchen, werden wir das bereuen, solange wir leben.«
Mit gesenktem Kopf saß er da, starrte in die Flamme des Spirituskochers, ihre Hand in der seinen. Dann seufzte er und stand auf. »Ich werde ein bißchen an die Luft gehen und nachdenken.«
Janet rührte sich nicht. Nach einer Weile stieg Hamid über die Ladeklappe zu ihr herein. Er goß sich Tee ein und hockte sich ihr gegenüber an den Kocher.
»Ich muß Jack wecken. Um vier Uhr soll er mich ablösen.«
»Ist schon gut. Er ist hiergewesen. Er wollte nur ein bißchen an die Luft gehen.«
»Hat es Ärger gegeben?« erkundigte sich Hamid.
Sie zuckte die Achseln. »Gespräche, wie man sie halt um vier Uhr früh führt. Er hat gerade festgestellt, daß er zu alt für mich ist.«
Hamid nickte. »Er ist nur erschöpft und völlig übermüdet, das ist alles.« Er zögerte einen Augenblick, doch dann fuhr er entschlossen fort: »Jack hat keine Ahnung, daß ich das weiß, Janet - aber er hat zuletzt
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