Der eiserne Tiger
auch ihre Stimme wurde immer schwächer. Er hatte furchtbare Angst. Da griff das schreckliche Wesen hinter ihm zu. Namenloses Entsetzen packte ihn, als er sich an der Schulter gefaßt fühlte und heftig herumgerissen wurde...
Er kam ganz plötzlich wieder zu sich, als es noch stockfinster und eiskalt war. Jemand rüttelte ihn an der Schulter. Stöhnend setzte er sich auf. In der Dunkelheit hörte er Achmeds Stimme: »Ich glaube, Sie haben schlecht geträumt, Sahib.«
»Ist es schon soweit?«
»Ja, Sahib.«
Drummond atmete ein paarmal tief durch, um seine
Fassung wiederzugewinnen, dann zog er seine Handschuhe an. Er nahm seine Maschinenpistole an sich, öffnete die Tür und sprang in den Schlamm hinunter.
Der Regen rauschte immer noch beständig in der Dunkelheit, und der Nebel hing immer noch über dem durchweichten Boden, als er die schützenden Bäume hinter sich ließ und zur Straße ging.
Nach einer Weile blieb er stehen und rief leise: »Amal, wo stecken Sie?«
Der Bengale trat aus dem Dunkel auf ihn zu und flüsterte: »Drummond Sahib?«
»Na, wie steht's?«
»Ist nichts los. Nur Regen und noch mal Regen. Bald wird es schneien. Ich habe das um diese Jahreszeit schon öfter erlebt. Dieses Jahr bricht der Winter früh ein.«
»Wir wollen es nicht hoffen«, sagte Drummond. Der Mann aus Bengalen entschwand in die Nacht.
Drummond stieß auf einen entwurzelten Baum und setzte sich mit verschränkten Armen darauf. Die Maschinenpistole lag griffbereit auf seinen Knien. Doch die eisige Kälte drang rasch durch die Kleidung. Bald fror er bis ins Mark, fror so erbärmlich, daß er immer wieder aufstehen und sich Bewegung verschaffen mußte. Er stampfte mit den Füßen auf, um wieder warm zu werden. Schließlich schlug er alle Vorsicht in den Wind und zündete sich eine Cheroot an. Schmeckte fürchterlich, aber das glühende Ende war irgendwie tröstlich. Nachdem er zu Ende geraucht hatte, steckte er sich gleich noch eine an.
Das Geräusch drang erst ganz allmählich in sein Bewußtsein. Er richtete sich auf und lauschte angestrengt. Er hörte, wie vom Camp her jemand näherkam. In dem Matsch gab es bei jedem Schritt ein saugendes Geräusch. Dann war es einen Augenblick still ganz so als wisse derjenige, der da durch die Nacht schlich, nicht mehr weiter. Dann hörte Drummond die Schritte wieder. Vorsichtig und so leise wie möglich kam jemand immer näher.
Drummond drückte lautlos seine Cheroot aus und schlich auf Zehenspitzen davon. Doch dann fiel ihm etwas ein. Rasch entzündete er eine neue und legte sie brennend auf einen der Äste des umgestürzten Baumes. Dann machte er einen weiten Bogen, bis er sicher war, sich hinter dem Heranschleichenden zu befinden. Nun ging er wieder auf den Baum zu. Er erkannte schemenhaft die Gestalt eines Mannes und dahinter die immer schwächer glimmende Cheroot.
Als Drummond sah, wie sehr der Mann auf der Hut war und hörte, wie dieser sein Gewehr abnahm, während er wie gebannt auf die glimmende Cheroot starrte, stand sein Entschluß fest. Er machte einen Schritt nach vorn, tippte dem Mann auf die Schulter und versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, als dieser sich zu Tode erschrocken umdrehte.
Der Mann sank stöhnend zu Boden. Drummond entzündete ein Streichholz. Der Mann war Brackenhurst. Neben ihm lag eine der russischen Maschinenpistolen im Matsch. Die Flamme erlosch zischend, vom Regen in Sekundenschnelle erstickt.
Nach einer Weile setzte sich Brackenhurst stöhnend auf. »Was ist denn passiert?« fragte er mit zitternder Stimme. Ihm war offensichtlich übel.
»Sie sollten nicht so im Dunkeln herumschleichen«, meinte Drummond gleichmütig. »Da könnte man Sie leicht für den Feind halten.«
»Aber ich wollte doch nur mit Ihnen sprechen«, sagte Brackenhurst in klagendem Ton. »Und zwar mit Ihnen allein. Ich möchte eine Erklärung zu dem abgeben, was in Sadar vorgefallen ist. Als das Dach einstürzte, bin ich in Panik geraten. Da habe ich den Kopf verloren. Ich bin zu meinem Landrover hinausgestürzt, und als mir niemand nachkam, dachte ich, es hätte Sie alle erwischt. «
Das war natürlich eine dreiste Lüge, aber Drummond ließ sich nichts anmerken. »Schon gut. So was kann vorkommen.«
Brackenhurst zögerte. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben. »Haben Sie irgend jemandem davon erzählt?«
Drummond schüttelte den Kopf. »Niemand außer Hamid und mir weiß
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