Der eiserne Tiger
Regenfälle viel tiefer gewesen. Einer der Truppentransporter war versackt und eingesunken. Sie hatten Stunden mit dem Versuch vertrödelt, ihn wieder freizubekommen. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen, als er schließlich aufgegeben und beschlossen hatte, mit dem anderen Transporter und einem Dutzend Männer weiterzufahren.
Sie waren fast die ganze Nacht hindurch weitergefahren. Wegen des Unwetters und des schrecklichen Zustands der Straße hatten sie oft nur zehn Meilen in der Stunde zurücklegen können. Mehrmals hätten sie auch das zweite Fahrzeug um ein Haar eingebüßt, doch die Hoffnung, in Bandong auf Father Kerrigan und seine Gefährten zu stoßen, hatte ihn aufrecht gehalten. Ganz sicher würden sie dort Station machen. Sobald sie vor dem Dorf anlangten, hatte er den Feldwebel und zehn Mann zu Fuß losgeschickt. Er hatte ihnen einen Vorsprung von fünf Minuten gegeben und war dann mit dem Truppentransporter gefolgt.
»Was geht denn hier vor?« fragte er streng.
Der Feldwebel, ein kleiner Chinese aus Kanton mit harten Gesichtszügen namens Ng, stürzte auf ihn zu. »Das Dorf ist ganz verlassen, Herr Oberst, wir haben nur diese beiden Männer gefunden. Wahrscheinlich Deserteure.«
»Deserteure?« Cheung wurde blaß vor Erregung. Er stieß seine Männer beiseite und wandte sich an Piru. »Wer bist du?« fragte er in Urdu. »Einer von den Soldaten von Oberst Sher Dil? Bist du durch den Fluß geschwommen?«
»Nein, Sahib«, erwiderte Piru. »Ich war bei dem Nachschubkonvoi. «
»Der Konvoi ist hier durchgekommen?« fragte Cheung verwirrt. »Wo ist er denn geblieben?«
»Abgefahren, Sahib. Nach Indien. Mit Oberst Sher Dil und dem jungen Khan. Sie hoffen, die indische Grenze zu erreichen.«
»Sher Dil ist hiergewesen?« erkundigte sich Cheung erstaunt.
»O ja, Sahib.« In seinem Übereifer wurde Piru redselig. »Auch Major Hamid und Drummond, Sahib. Sie sind alle bei Sadar durch den Fluß geschwommen und so ans diesseitige Ufer gelangt.«
»Wann sind sie von hier abgefahren?«
»Gestern - zwei Stunden vor Einbruch der Dunkelheit. Sie wollten irgendwo die Straße entlang haltmachen und die Nacht abwarten, um heute gleich bei Tagesanbruch weiterzufahren. Ich habe selbst gehört, wie der Oberst das sagte.«
Cheung lachte erregt und schlug sich mit dem ledernen Ausgehstöckchen in die behandschuhte Hand. »Rufen Sie sofort die Männer zusammen, Feldwebel. Es geht weiter.«
Als er sich zum Gehen wandte, fragte ihn Feldwebel Ng: »Was soll denn mit diesem Mann geschehen, Sir?« und wies auf Piru.
Cheung warf Piru einen Blick zu, aus dem fast so etwas wie Zuneigung, zumindest aber Anerkennung sprach. »Lassen Sie ihn laufen, schließlich hat er uns gute Dienste geleistet.«
Er verließ das Haus. Piru, der dem Wortwechsel in chinesisch natürlich nicht hatte folgen können, sah Feldwebel Ng erwartungsvoll an.
›Was für ein merkwürdiger Mensch der Oberst doch ist‹, sagte sich der Feldwebel. ›Wilde Gerüchte kursieren über ihn, doch er ist ein guter Offizier. ‹ Er nickte einem seiner Leute zu, der Piru ganz plötzlich packte und ihm die Hand auf den Mund preßte.
Piru sah das gezückte Messer auf sich zusausen. Die Kälte drang ihm durch die Rippen bis ans Herz. Alles wurde schwarz um ihn. Sie ließen ihn einfach am Feuer liegen. Gleich darauf setzte sich der Truppentransporter wieder in Bewegung. Die Panzerketten schleuderten den Matsch gegen die Hausmauern.
11. Kapitel
DIE BRÜCKE BEI SOKIM
»Ich sehe die Brücke!« rief Sher Dil. »Sie ist noch intakt.«
»Gott sei Dank!« Drummond griff nach dem Feldstecher, stellte ihn richtig ein und sah hindurch. »Scheint niemand da zu sein.«
»Und kein Hinterhalt, wo man sich verstecken könnte«, bemerkte Hamid. »Am besten fahren wir gleich hinüber, solange die Luft noch rein ist.«
Sie gingen zu ihren Lastwagen zurück. Drummond stapfte durch den Matsch, zog sich hinauf und setzte sich wieder neben Achmed. Er war froh, wieder drin zu sein.
Es hatte den ganzen Morgen pausenlos geregnet. Die Straße war ein einziger Morast, und sie hatten kaum mehr als fünfzehn Meilen pro Stunde zurücklegen können.
Sie fuhren über die Hügelkuppe. Danach fiel die Straße nach der großen Schlucht hin steil ab, die sich durch die Berge zog. Achmed fuhr im ersten Gang vorsichtig hinter Sher Dil her.
Die Brücke war schmal und zerbrechlich. Entgegenkommende
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