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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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Stirn.
    »Ganz ruhig«, flüsterte ich. Ich war nah dran durchzudrehen. »Ruhig bleiben.«
    »Mein Dad hat dich angeheuert, damit du ein paar Bäume baust, und nicht, damit du dich aus dem Staub machst und unsere Vorräte klaust.« Der Junge zielte an die Decke und gab einen Schuss ab. Scheppernd traf der Nagel auf das Metall. Das brachte ihn zum Lachen, und prompt feuerte er noch einmal und schrie: »Weißt du, wofür der rote Fleck da ist? Das große Kreuz in deinem Wald?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Mein Daddy wird da einen echten Baum hinpflanzen, genau zwischen deine nachgemachten.«
    »Ach ja?«
    »Darauf kannst du wetten. Und dann werden wir reicher sein, als du es dir vorstellen kannst.«
    »Ich weiß nicht«, winkte ich ab. »Ich kann mir eine ganze Menge vorstellen.«
    »Dann versuch dir mal vorzustellen, wie viel GenTech zahlen wird, wenn mein Dad echte Bäume verkauft. Richtig echte Bäume. Nicht solche wie deine dummen Statuen.«
    »Das macht er also gerade? Er jagt irgendwelche Bäume für euch?«
    Der Junge grinste breit und zielte wieder auf mich. Ich verschränkte die Hände hinter dem Kopf und gab mich ganz entspannt, in dem Versuch, den Kleinen aus der Reserve zu locken.
    »Dein Dad muss dich ja ganz schön liebhaben«, meinte ich. »Immerhin könnte er dabei draufgehen, wenn er nach etwas sucht, das jeder haben will und keiner kriegen kann.«
    »Nein«, sagte Sal leise, dann schleuderte er die Nagelpistole fort, die mit einem schrecklichen Knall auf dem Boden landete. »Er hat immer gesagt, er würde mich mitnehmen. Aber jetzt sind sie weg. Alle weg. Alle außer mir.«
    »Vielleicht wollten sie ja, dass du auf das Haus aufpasst. Dich um alles kümmerst.«
    Sal zog eine Grimasse. »Vielleicht interessieren sie sich auch einfach einen Dreck für mich.«
    Ich riskierte es, stand auf und griff nach der Nagelpistole. Der fette Junge sah mir reglos dabei zu.
    »Hättest du vielleicht Lust, auch auf Baumjagd zu gehen?«, fragte er mich mit einem verschlagenen Blick.
    »Baumjagd?« Ich drückte die Nagelpistole gegen seine Brust und zwang ihn so auf die Knie. »Es ist keine gute Idee, mit dem Ding herumzuwedeln, wenn du nicht vorhast, es auch zu benutzen, Söhnchen.«
    »Ich bin nicht dein Sohn«, flüsterte er. Seine bleichen Wangen begannen zu zittern, und ihm stiegen Tränen in die Augen.
    »Nimm’s leicht«, sagte ich und zog die Pistole zurück. »Du hast hier so viel Mais, der reicht bestimmt für den ganzen Winter. Wenn du nur lang genug wartest, wird dein Vater schon irgendwann zurückkommen. Wenn auch vielleicht mit leeren Händen.«
    Damit wollte ich gehen, aber Sal hielt mich zurück. Mit weinerlicher Stimme rief er: »Du hast recht. Er wird sie niemals finden. Er ist im Arsch. Total im Arsch.«
    »Ach ja?« Ich drehte mich wieder zu ihm um. »Und warum das?«
    »Weil er an der falschen Stelle sucht.«
    *
    Frost hatte eine Kiste Maisschnaps zurückgelassen, an dem sich Sal nun bediente, während er sich im Erdgeschoss zwischen den Töpfen und Pfannen auf der Arbeitsfläche niederließ. Noch immer hielt ich die Nagelpistole bereit, aber der Junge redete sowieso wie ein Wasserfall, auch wenn ich ihn nicht damit bedrohte. Umso besser. Ich habe nie ein gutes Gefühl dabei, das Ding auf Menschen zu richten.
    »Sie hat Zahlen.« Der Alkohol ließ Sal rülpsen, und er begann sich aufzuführen wie die geschrumpfte Version seines alten Herrn. »An dem Baum. Zahlen auf jedem Blatt.«
    »Und?«
    »Schon mal was von Navis gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist wie eine Landkarte«, erklärte Sal. »Oder ein Kompass. Gib die Koordinaten von dem Ort ein, den du suchst, dann sagt dir das Navi, wo er ist.«
    »Und das glaubst du?«
    »Sie sagen, da oben wären solche Dinger«, behauptete er. »Kreisen da rum, wo man es nicht sehen kann. Bewegen sich durch die Nacht. Satelliten nannte man die. Und die verraten dem Navi, wie man hinkommt.«
    »Und man gibt einfach nur diese Zahlen ein?«
    »Blätter, die nach oben zeigen, enthalten nördliche Koordinaten. Die zählt man zusammen, dann zieht man die ab, die nach Süden zeigen, auf ihre du-weißt-schon-was.« Der Junge lachte schnaubend, als hätte er gerade aufgehört zu atmen. »Genauso kommt man auch an die östlichen Koordinaten. Mit den waagerechten Blättern.«
    »Woher weißt du das?«
    »Crow hat das jahrelang untersucht, deshalb. Er kannte die Geschichte schon, lange bevor er die Frau fand.«
    »Dann ist es also nur eine Geschichte. Die muss

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