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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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wirst es lieben«, beruhigte ich ihn. »Tu einfach nur genau das, was der Mann dir sagt.«
    Der Rasta lächelte dünn, und der Tripnotyst grinste mich vom anderen Ende des Containers aus höhnisch an. An seiner Miene war deutlich abzulesen, dass er diese Aktion für reine Zeitverschwendung hielt.
    »Welche Richtung?«, fragte er, als über uns das blaue Licht anging.
    »Zion«, antwortete ich. »Das Gelobte Land.«
    »Eins von beidem.«
    »Dann das Gelobte Land.«
    Der Zigeuner tippte es ein, und ich zog dem Rasta die Brille über den Kopf.
    »Entspann dich«, erklärte ich ihm, während die Musik das Innere des Containers erfüllte. Dann wurde das Gesicht des Rastas schlaff, seine Zunge hing ihm aus dem Mund, und ich erkannte, dass es angefangen hatte.
    Ich lehnte mich zurück und starrte auf den Monitor an der Decke.
    Leer.
    Als ich dem Tripnotysten einen fragenden Blick zuwarf, hob der nur die Hand und tippte etwas ein.
    Und dann ging es los.
    Mittlerweile waren mir die Bäume fast schon vertraut, von dem Tattoo und dem Foto. Und jetzt das hier.
    Die Erinnerungen des Rastas glitten über den Schirm, ich sah Blätter flattern und Stämme, die sich im Wind wiegten. Angestrengt beobachtete ich den Boden rund um die Bäume und die dichten Laubkronen. Aber ich sah niemanden. Nichts außer Wald.
    Irgendwann verblassten die Bäume und wurden durch Wasser ersetzt. Eigentlich hätte ich das ahnen können, aber trotzdem haute mich dieser Anblick fast um. Das Wasser erstreckte sich bis zum Horizont, und es war so ruhig, dass man die sanften Wellen einzeln zählen konnte.
    Tiefes, ruhiges Wasser, das mit den Farben der Nacht die Sonne verschluckte. In dem Wasser erblickte der Rasta sein Spiegelbild, er sah jünger aus, der Bart war kürzer und weniger von Grau durchzogen. Neben ihm erschien ein weiteres Gesicht. Es war bartlos, mit blasser Haut, die sich straff über die Knochen spannte. Und dieses Gesicht vervielfältigte sich, bis ich kein Wasser mehr sehen konnte und sogar die Spiegelung des Rastas verdrängt wurde.
    Der Bildschirm wurde weiß. Nun war er wieder völlig leer, bis auf ein einziges Wort. Ein Wort, das sogar ich entziffern konnte. Es prangte auf jeder Schachtel Mais, auf jeder Schnapsflasche, auf jedem Spritkanister. Dieses Wort wuchs auf jedem Maiskorn, violette Buchstaben auf den saftigen, gelben Körnern, damit man niemals vergaß, wer sie anbaute.
    Das Wort schien auf dem Monitor herumzuspringen, doch dann stand es still und leuchtete mir entgegen, bis der Schirm schließlich schwarz wurde.
    »GenTech«, murmelte ich. »GenTech.«

Kapitel 16
    I ch weiß ja nicht, ob das wichtig ist«, meinte der Zigeuner, während er auf das Kontrollfeld einhämmerte und die Maschine herunterfuhr. »Aber der Begriff
Gelobtes Land
hat bei ihm nichts ausgelöst. Musste erst Zion eingeben, um ihn auf die Reise zu schicken.«
    Ich sah auf den Rasta hinunter, der immer noch im Container lag. Dann begann ich ihn zu schütteln, zerrte an dem alten Mann und nahm ihm die Brille ab. Aber der Rasta war einfach nicht mehr wach zu kriegen.
    Niemals wieder.
    Ich erkannte es daran, wie schlaff seine Zunge war und dass seine Augen sich nach hinten gerollt hatten.
    »Wage es ja nicht«, flüsterte ich, aber es war zwecklos. Ruckartig drückte ich ihm die Lider zu und hievte ihn mir auf die Schultern. Zum Glück hatte mir der Zigeuner den Rücken zugedreht, denn plötzlich brach ich in Tränen aus, während ich Richtung Ausgang stolperte.
    Wie ein Schlafwandler schlurfte ich voran, und in meiner Kehle bildete sich ein dicker Kloß. Ich roch den Gestank seiner Dreadlocks und spürte seinen steifen, verkrümmten Körper. Es war meine Schuld – ich hatte den alten Mann gezwungen, in diesen Container zu steigen. Das war zu viel für ihn gewesen. Er war tot, und ich hatte ihn umgebracht. Mit Sicherheit war er der älteste Mensch gewesen, den ich jemals gesehen hatte. Mühsam schlurfte ich nach draußen.
    Außerdem hatte er meinen Vater gekannt. Irgendwie. Auf eine ganz verrückte Art und Weise. Sie waren gemeinsam irgendwo hinverschleppt worden.
    Und jetzt war der Rasta tot.
    Aber das war das Werk des Zigeuners. Zumindest redete ich mir das ein. Er hätte es doch eigentlich besser wissen müssen. Der verdammte Freak hatte mich beschissen.
    Nachdem ich den Leichnam hinten im Wagen verstaut hatte, hörte ich auf zu flennen und wischte mir mit einem Lappen das Gesicht ab. Pa hatte immer gesagt, ich sei ein Konstrukteur, kein Kämpfer. Aber Pa

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