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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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war ja nicht hier, oder? Also schnappte ich mir meine Nagelpistole und lief zurück zu dem Zelt.
    »Du hast ihn umgebracht«, behauptete ich, als der Tripnotyst zu mir herumwirbelte. Ich richtete die Nagelpistole auf ihn. »Beschissener Junkie-Arsch.«
    »Was zur Hölle hast du damit vor?«
    »Das liegt ganz bei dir. Ich kann dich mit Nägeln vollpumpen. Oder du kannst mir mein verdammtes Buch zurückgeben.«
    *
    Auf den Sandebenen vor der Stadt verbrannte ich den Rasta. Von dem Gestank wurde mir ganz schlecht. Das war allerdings nicht so ekelhaft wie der Moment, als ich dem Alten die Borke aus dem Bauch schnitt.
    Sie war ungefähr drei Zentimeter dick, und darunter wuchs dünne, weiche Haut. Ich musste die Borke in kleinen Brocken abschaben, gewann am Schluss aber doch ein ganz anständiges Stück. Die restlichen Splitter verbrannte ich und lauschte auf das Zischen und Knacken, während sie vor meinen Augen in Flammen aufgingen. Dann malte ich mit der Asche Muster in den Sand und wartete darauf, dass die Nacht hereinbrach.
    Die Borke war weich und nachgiebig. Ich rieb mit dem Finger darüber und entfernte die letzten Gewebereste. Haut und Borke. Ein Teil Mensch, ein Teil Holz. Ehrlich gesagt drehte sich mir dabei der Magen um. Aber ich konnte einfach nicht aufhören, daran herumzuspielen.
    Ich ließ mich in den Staub fallen und betrachtete die Stadt in der Ferne. Die Nacht war warm, es ging kaum Wind, und die Luft war so sauber, wie es eben möglich war.
    Nachdenklich sah ich zu den Sternen hoch und dachte an Pa. Dabei hielt ich die Borke zwischen den Fingern und ertastete ihre knotige, rauhe Oberfläche, die sich gleichzeitig irgendwie weich anfühlte. Und ich fragte mich, ob dieses Stückchen Holz vielleicht alles war, was ich jemals von einem echten Baum zu Gesicht bekommen würde – falls ja, wäre ich wohl der bemitleidenswerteste Spinner aller Zeiten. Hinweise hatte ich mehr als genug. Das wusste ich. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wie sie alle zusammenpassten. Und als das Feuer schließlich heruntergebrannt war, wusste ich, dass ich in Richtung Westen gehen musste.
    Im Westen hatten sie mir meinen Vater gestohlen. Draußen, jenseits der Maisfelder, kurz vor Vega – der Stadt, die sich mit dem Mais vollstopfte, den GenTech hortete. Und es hatte sich so angehört, als wären Frost und Crow ebenfalls nach Electric City unterwegs.
In Vega gibt es eins,
hatte Crow zu Frost gesagt. Aber ein was? Was könnte ihnen dabei helfen, die Bäume zu finden, die sie unbedingt verscherbeln wollten?
    Zee hatte recht. Die Leute würden für einen echten Wald ein Vermögen zahlen. Die letzten lebendigen Bäume. Nahrung, Sprit und wer weiß, welche anderen Reichtümer sie noch hergaben? An diesem Ort gab es entweder keine Heuschrecken, oder die Bäume dort konnten sich irgendwie gegen sie durchsetzen. So oder so würde jeder dorthin wollen.
    Blieb nur ein Problem: Niemand konnte so viel bezahlen wie GenTech. Nicht einmal annähernd. Nicht einmal Crows alter Stamm in Niagara, auch wenn die mit ihrem Wasserverkauf wirklich gut Geld machten. Sicher, einige behaupten, die Bergungsinnung hätte immer noch jede Menge Beutestücke aus der alten Welt, aber ich bezweifle stark, dass es wirklich so viele sind, wie man sich erzählt. GenTech allerdings konnte dich reichen machen, wenn du nur die richtigen Informationen hattest.
    Oder sie konnten sich die Informationen holen, die sie brauchten, und dir dann die Kehle durchschneiden.
    Bei unserem letzten gemeinsamen Auftrag, bevor Pa sich nach Westen orientierte, hatten wir gesehen, wie eine Kundin aus ihrem Haus gezerrt wurde. Dieser Agent mit der riesigen Narbe hatte gesagt, sie sei Abschaum, denn sie hätte im gesamten Südosten Mais geschmuggelt. Er hatte sie mit seinem stachligen Schlagstock bearbeitet, bis ihre Schreie verstummt waren. Als es vorbei war, ließ Pa mich ihre Plastikpinie zu Ende bauen, und wir begruben sie darunter. Als ich ihn danach fragte, was Schmuggeln denn sei, meinte Pa nur, das sei ein anderer Ausdruck dafür, sich umbringen zu lassen.
    Aber ich fand heraus, was Schmuggler tun. Sie sind gute, tapfere Menschen. Die wenigen Reichen, die versuchen, anderen zu helfen. Sie verschenken Mais oder verkaufen ihn billiger, und das gefällt GenTech überhaupt nicht.
    Während ich so grübelte, kam mir der Gedanke, dass diese Bäume vielleicht gar nicht dazu gedacht waren, verteilt zu werden. Vielleicht symbolisierten sie einen Zufluchtsort und sollten verborgen

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