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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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will, dann fahre ich dich zurück zur Vierzig. Und zwar bei der allerersten Gelegenheit.«
    »Das würdest du tun?«
    »Klar.« Alpha lehnte sich gegen das Bücherregal und musterte mich eindringlich. »Die meisten Leute versuchen einfach nur, irgendwie zu überleben. Anscheinend bist du da anders, Freundchen.«
    »Ich dachte, du wärst nur aufs Überleben aus.«
    »Und ich dachte, du hättest gesagt, es müsse noch mehr geben.«
    Fast schien sie es glauben zu
wollen.
Oder vielleicht wollte sie auch an
mich
glauben. Wieder nahm ich ein Buch und starrte auf den Einband. In meinem Kopf ging alles drunter und drüber.
    »Ich weiß, wie das ist«, sagte Alpha leise. »Meine Mom hat mich hier aufgezogen und zurückgelassen. Früher habe ich mir so viel mehr gewünscht.«
    »Und jetzt?«
    »Ich habe aufgehört zu wünschen, ganz einfach. Manche glauben, die Piraten würden sich irgendwann wieder zusammentun und die Violette Hand zerschlagen. Aber das sind nur Träumereien. Ich hatte eine kleine Schwester, und früher habe ich ihr die schönsten Versprechungen eingeflüstert. Am Ende waren es alles Lügen.« Sie zuckte mit den Schultern.
    Dieses Mädchen machte mich ganz wirr. Erst hatte sie mich angeschossen, dann hatte sie mich geheilt. Und jetzt vertraute sie mir an, was ihr auf der Seele lag?
    »Schon hart, wenn man so früh allein zurückbleibt«, fuhr sie fort. »Oder?«
    Ich sah in ihre braunen Augen und hatte das Gefühl, sie könnte mich mit einem Blinzeln in sich aufsaugen. Für einen Moment schien sich der Raum zu drehen, als wollte die Welt mich auf sie zuschieben.
    »Ich bin nicht allein«, erwiderte ich, geriet aus dem Gleichgewicht und warf einen Bücherstapel um. »Zumindest nicht, solange mein alter Herr noch am Leben ist.«
    Plötzlich war ich völlig erschöpft und ließ mich zu Boden fallen.
    »Wie ist er denn so?« Alpha setzte sich neben mich.
    »Er ist clever. Richtig clever. Und er kann verdammt witzig sein.«
    Ich wollte noch mehr sagen, aber dann fiel mir wieder ein, wie Pa entführt worden war. Wie ich im Wagen gesessen hatte und irgendwelche Fremden draußen herumgeschlichen waren, während der Sturm tobte. Ich hatte Angst gehabt. Große Angst. Und ich war einfach im Wagen geblieben, wo ich sicher war, und hatte darauf gewartet, dass Pa zurückkam.
    Ich stützte den Kopf in die Hände.
    »Ich muss diese Statue fertig machen«, flüsterte ich.
    »Dann solltest du dich besser etwas ausruhen.«
    Sie hatte recht. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und es war heiß draußen, also ließ ich mich von Alpha in meine Hütte zurückführen. Nachdem sie gegangen war, streckte ich mich auf der Liege aus. Aber mein Verstand wollte einfach keine Ruhe geben.
    Ich sah mich wieder in diesem Raum voller Geschichten, umgeben von den wundervollen Büchern. Und wo war mein alter Herr? Der saß irgendwo ganz allein in der Falle. Ohne Bücher. Ohne hübsche Mädchen zum Anhimmeln. Erinnerte er sich überhaupt noch an unsere gemeinsamen Zukunftspläne? Den Wald, den wir nur für uns allein bauen wollten? Ich hatte mir immer vorgestellt, wie wir in einem Haus mit alten Wellblechwänden wohnen würden, umgeben von gusseisernen Zweigen und Blättern, die wir im Herbst und im Frühling austauschen würden.
    Normalerweise muss Frühling sein, bevor das Töten losgeht. Das hatte der alte Rasta gesagt. Und jetzt hatten sich diese Worte in mein Hirn eingebrannt.
    Mörder, hatte der alte Rasta gesagt.
    Allesamt Mörder.
    *
    Ich ging zurück in den Wald, noch bevor die Sonne sich Richtung Horizont bewegte. Stark bleiben hieß die Devise. Sich auf das Spiel konzentrieren. Ich musste die Statue fertigstellen, Sal holen und uns dann nach Vega bringen, um so ein verdammtes Navi zu finden.
    Bis ich allem den letzten Schliff gegeben hatte, war der Tag fast angebrochen. Alpha arbeitete unten am Boden, und die Sonne kroch gerade über den Horizont und ließ den östlichen Rand der Welt verschwimmen. Ich sah zu, wie das leise Glühen stärker wurde und die Sonne sich langsam ihren Weg suchte.
    »Es geht los«, rief ich nach unten. Dann riss ich die Plane von dem Gesicht, das nun von eisernen Fäden umgeben war, und beobachtete, wie Alpha ihre unzähligen Reflexionen in den gebrochenen Strahlen der Morgensonne bestaunte.
    Mühelos kletterte sie über das Gerüst, jede Bewegung war die reine Lebenskraft. Als sie bei mir oben ankam, roch ich ihren Schweiß, vermischt mit Leder und Stahl.
    »Darf ich es anfassen?«
    »Nur zu.«
    Sie strich

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