Der eiserne Wald
es total mit dem Erinnern, oder?«
»Nur die Dinge, die wichtig sind.«
»Wirst du dich an mich erinnern?« Alphas Blick war noch immer auf die Statue gerichtet. Doch bevor ich etwas sagen konnte, wirbelte sie herum und ging los. »Komm schon, wir müssen zurück. Du siehst beschissen aus.«
»Nein, warte. Eins musst du dir noch ansehen.«
Die Gewitterwolken waren jetzt so dicht, dass es dämmrig wurde, also warf ich den Generator an, der am Waldrand stand, und legte die Schalter um.
Kleine Lichter blinkten zwischen den Zweigen, und eine Sekunde lang blieb Hina im Zwielicht völlig farblos. Doch dann legte sie los: Violett, Blautöne und Rot. Jede Farbe leuchtete einen Moment hell auf, bevor sie zur nächsten wechselte. Sie wurde grün und gelb, dann golden und pink. Und die Messingblätter reflektierten diese Farben, so dass der ganze Wald zum Leben erwachte.
Als der Regen einsetzte, warf Alpha den Kopf in den Nacken, reckte die Arme in die Höhe und lachte glücklich.
»Das ist wunderschön«, rief sie. Ihre Stimme klang wie Musik, alle bitteren Untertöne lösten sich auf und wurden davongespült.
Und es war wirklich wunderschön. Schöner als es in dieser miesen, leeren Welt hätte sein dürfen. Meine Arbeit an der Statue war beendet, und dieses Ende war ein Neubeginn. Sie war mit Abstand das größte Meisterwerk, das Pa und ich je geschaffen hatten.
Kapitel 25
D onner krachte, und der Regen peitschte gegen unsere Haut, während wir über die Laufplanken rannten. Ich spürte den Blitz, bevor er herabzuckte, hielt den Blick aber starr auf Alphas pinke Weste gerichtet. Das flauschige Material war jetzt glatt und flach gedrückt, triefnass wie alles andere auch.
Wir erreichten die Hütte und stürmten hinein. Alpha verschloss die Tür hinter uns, während der Regen auf das Dach trommelte. Durch Risse und Löcher drang Wasser ein, und die Liege war feucht geworden, doch Alpha legte sich trotzdem hin. Ihr Irokese war nur noch ein nasser Pferdeschwanz in ihrem Nacken.
Ich ließ mich neben sie fallen, musterte ihren Rücken und ihre Beine und wünschte mir, sie würde sich umdrehen und mich ansehen.
»Was machst du da?«, fragte sie, immer noch abgewandt.
»Ich sehe dich nur an.«
»Komm bloß nicht auf dumme Ideen. Ich wollte einfach nur aus dem Regen raus.«
»Klar doch.«
Jetzt rollte sie sich doch herum. »Das wird nicht passieren.«
»Warum nicht?«
»Weil du weggehst.« Sie schloss die Augen und wandte sich wieder ab.
Aber dadurch wollte ich sie nur noch mehr. Ich wollte sie berühren und ihren Körper an meinem spüren. Ich wollte sie auf mir haben, unter mir, die Arme um sie schlingen. Wollte mich in ihr verlieren, so lange es nur ging. Aber ich wusste, dass ich mein Ziel nicht aus den Augen verlieren durfte. Alpha musste mich nach Norden bringen, sobald der Handel hier abgeschlossen war. Außerdem musste ich mir noch überlegen, wie ich Sal aus dem Schlammpferch raus bekam. Wenn ich meinen Vater finden wollte, brauchte ich diese letzte Zahl. Also musste ich den dicken Jungen retten, bevor er verschachert wurde.
Es war allerdings gerade verdammt schwer, sich zu konzentrieren. Direkt neben diesem Mädchen mit ihren Latexsachen, diesen Kurven, ihrem leisen Atem. Es war, als würde mein Körper alles aufsaugen, was sie ausstieß. Doch irgendwann fielen mir die Augen zu. Und dann nahm der Schlaf das ganze Verlangen mit sich fort.
*
Ich wurde dadurch geweckt, dass jemand gegen die Tür trommelte, und setzte mich so abrupt auf, dass mir schwindelig wurde. Die ganze Hütte bebte unter den Erschütterungen der Tür, aber Alpha schlief weiter. Sie hatte sich an mich geschmiegt, also blieb ich reglos sitzen, starrte auf die kleine, hakenförmige Narbe an ihrer Schläfe und wünschte mir, wer auch immer da an der Tür war, möge einfach wieder verschwinden.
Das Trommeln wurde lauter.
»Moment noch«, schrie ich und stand auf.
»Dich brauche ich nicht«, fauchte Jawbone, als ich die Tür öffnete. Sie beugte sich vor und zeigte auf die Liege. »Sondern sie.«
*
Der Regen war noch stärker geworden, aber Jawbone schien das nicht einmal zu bemerken, als sie uns über diverse Laufplanken an den Rand der Stadt führte. Steifbeinig stapfte sie durch die Pfützen und den Matsch.
Ich fing eine Handvoll Wasser auf und spülte mir damit die Nase. So ein Regen war wie eine Grundreinigung, er wusch den ganzen Staub ab, bis man sich so richtig sauber fühlte. Allerdings waren meine Klamotten schwer und
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