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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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bestand irgendeine Verbindung zwischen ihm und dem Ort, wo der Rasta hingebracht worden war. Und das bedeutete, dass Harvest etwas damit zu tun hatte, dass mein Vater an diese Bäume gekettet war.
    »Das ist unser Baummeister«, erwiderte Jawbone. »Und er ist nicht zu verkaufen.«
    »Jeder ist käuflich, meine Liebe.« Der bleiche Mann kicherte. »Aber wenn er wirklich an eurem Wald gearbeitet hat, muss er unbedingt zu uns an Bord kommen. Ich habe hier etwas, das er sicherlich gerne sehen würde.«
    Ich spürte, wie Alpha sich anspannte.
    »Komm, mein junger Captain«, rief King Harvest und streckte die Hände aus, so dass die Regentropfen von seinen Fingern abprallten. »Wir haben viel zu besprechen.«
    »Lass die Planke runter«, erwiderte Jawbone.
    »Nein«, flüsterte Alpha. »Das gefällt mir nicht.«
    »Keine Sorge«, meinte Jawbone. »Ich werde deinen Liebsten ja begleiten.«
    »Du musst das nicht tun«, wandte sich Alpha nun an mich.
    »Doch, muss ich.«
    »Warum?«
    »Ich glaube, dieser Mann hat meinen Vater entführt.«
    »Willkommen im Klub«, sagte sie. »Er hat meine Mutter mitgenommen. Das ist jetzt auf den Tag genau zehn Jahre her.«
    *
    Ich folgte Jawbone über die verbeulte Metallplanke, auf der unsere Füße wegen des Regens kaum Halt fanden. »Was macht er mit ihnen?«, fragte ich möglichst dicht an ihrem Ohr. »Mit seinen Sklaven?«
    »Dicken Profit, schätze ich mal.« Jawbone zuckte mit den Schultern. »Was sonst?«
    Harvest war immer noch allein, als wir das Deck betraten, und er machte eine große Show daraus, uns lächelnd die Hände zu schütteln. »Kommt, kommt«, er zeigte auf das Führerhaus. »Schaffen wir euch aus dem Regen raus.«
    Ich stapfte über die riesige, von Pfützen übersäte Plattform und warf einen kurzen Blick zurück zu der Stelle, wo Alpha noch immer auf der Stadtmauer stand. Aber sie schien bereits weit weg zu sein. Unerreichbar weit weg.
    Im Inneren des Führerhauses konnte man den Sturm kaum hören, das Tosen des Wassers war nur noch ein leises Rauschen. Der Raum war vollgestopft mit Diagrammen auf Plastiktafeln, seltsamen Gerätschaften und blinkenden Bedienfeldern. Was auch immer der Typ hier trieb, er holte jedenfalls eine Menge Kohle dabei raus.
    »Superfood?«, fragte Harvest und deutete auf eine Schüssel mit dampfendem Popcorn. Ich nahm eine Handvoll und kaute darauf herum, während ich mich im Führerhaus umsah und mich fragte, wo Harvest wohl seine Mannschaft versteckt hatte.
    »Und, wohin geht es als Nächstes?«, fragte ich schließlich, aber er ignorierte mich einfach.
    »Kommt mit«, sagte er stattdessen. »Hier entlang.« Er führte uns tiefer in den Transporter hinein, durch gewundene, kaum beleuchtete Korridore, bis wir schließlich eine Leiter erreichten, die steil nach unten führte.
    »Was wollen wir hier?«, fauchte Jawbone. Ihre Stimme hallte durch den Tunnel.
    »Habt Geduld mit mir«, erwiderte Harvest. »Ich will euch etwas zeigen.«
    Wir stiegen in den gewaltigen Rumpf des Transporters hinunter, wo eine grüne, leuchtende Flüssigkeit an den Wänden haftete. Der gesamte Innenraum des Schiffes war mit dieser klebrigen, glühenden Masse gestrichen. Als wir immer weiter runterkamen, hörte ich irgendwann Stimmen. Zuerst gedämpft, dann aber immer lauter und klarer, je tiefer wir ins Innere vordrangen.
    Die Leiter endete in einem weiteren Gang aus Metall. Doch hier waren links und rechts von uns überall Zellen.
    Jawbone stand dicht neben mir. Sie presste die Arme an den Körper, und in ihrem Gesicht spiegelte sich leise Furcht. Offenbar gefiel es ihr nicht, auf dieser Seite des Sklavenhandels mitzumischen.
    Die Gefangenen pressten sich an die Gitter, streckten die Finger aus und griffen nach uns. Ihr Stöhnen und Jammern erinnerte mich an die Stunden im Truck der Piraten. Genau wie der Geruch. Ich musterte die schmalen Gesichter hinter den Eisenstangen, die schmutzigen Haare, die leeren Augen. Unwillkürlich dachte ich an den alten Rasta und seine von der Borke gespaltene Haut. Und ich fragte mich, ob mein alter Herr auch irgendwann hier unten festgesessen hatte.
    War das hier etwa das Schiff? Das Schiff, das über den Ozean fuhr? Es wirkte nicht gerade wie ein Shuttle in das Gelobte Land. Eigentlich gab es wohl kaum etwas, das weniger an das Gelobte Land erinnerte als das hier.
    »Ich glaube, das Lagerdeck hast du noch nie gesehen, oder?« Harvest grinste Jawbone an. Seine bleiche Haut wirkte unter der fluoreszierenden Beleuchtung grünlich.

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