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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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»Und doch hast du so viele dazu verurteilt, in diese Tiefen hinabzusteigen.«
    »Zeig uns, was wir sehen sollen«, schaltete ich mich ein.
    »Aber ja, Baummeister. Mit Vergnügen.«
    Wir zogen die Köpfe ein und gingen dicht nebeneinander, um den tastenden Fingern auszuweichen, die sich uns durch die Gitter entgegenstreckten. Deshalb wäre ich fast in Harvest hineingerannt, als er plötzlich vor einer Zellentür stehen blieb.
    »Da wären wir«, sagte er und gab einen Code in das Schloss ein, woraufhin sich die Tür mit einem Piepton öffnete. Ich blieb im Türrahmen stehen und sah mir die Gesichter an, die in der Dunkelheit scheinbar körperlos vor mir schwebten.
    Dann beugte ich mich vor und ging vorsichtig hinein. Ich traute meinen Augen nicht.
    »Banyan!«, rief eine Stimme. »Banyan?«
    Ich rannte los, und plötzlich klammerte sich Zee an meinen Hals. Sie stank nach Pisse und Metall und drückte ihr tränenüberströmtes Gesicht an meine Wange.
    »Jemand, den du kennst, Baummeister?«, rief Harvest von der Tür herüber. »Wie rührend.«
    »Wer ist das?«, fragte Jawbone. Plötzlich stand sie hinter mir. »Banyan, was ist hier los?«
    »Und ich dachte, die andere wäre die, für die du dich interessierst. Die Frau, die aussieht wie die Statue. Die mit dem Baum.« Harvest knipste eine Taschenlampe an und suchte damit die Zelle ab, ließ den Strahl langsam über die ausgemergelten Körper gleiten.
    Ganz hinten in der Ecke entdeckte ich sie. Sie trug nichts außer verdreckten Lumpen am Körper, sie hatten ihr den Schmuck abgenommen und den Glitzer aus dem Haar entfernt. Als der Strahl der Taschenlampe sie traf, hob sie den Kopf, und mir kam es so vor, als hätte Hina all das verloren, was ihre Statue so besonders gemacht hatte.
    »Das ist sie, nicht wahr?«, flüsterte Jawbone. Wahrscheinlich konnte sie es doch noch sehen. Unter dem ganzen Dreck war noch immer Grazie verborgen. Dieselbe Anmut, mit der sie zehn Meter hoch über dem Wald tanzte.
    »Harvest«, rief ich und drehte mich zu ihm um. »Diese Frauen kommen mit uns als Teil des Handels.«
    Harvest lachte nur. Ein träges, grausames Lachen ohne einen Funken Humor. »Handel?«, wiederholte er und schlug uns die Zellentür vor der Nase zu. »Welcher Handel?«
    »Warte.« Jawbone wirbelte herum und umklammerte die Gitterstäbe. »Was zum Teufel soll das?«, schrie sie. »Lass uns sofort raus!«
    »Tut mir leid, Captain«, erwiderte Harvest und schüttelte bedauernd den Kopf, als würde er es aufrichtig meinen. »Die Zeit ist um. Letzte Runde, ich tausche meine Chips ein. Und zwar alle. Ich nehme alles mit.« Er grinste höhnisch, und seine Zähne glänzten in der Dunkelheit. »Alles und jeden.«

Kapitel 27
    J awbone stand an der Zellentür und umklammerte die Gitterstäbe, als wollte sie das Metall in Stücke reißen. Durch das Halbdunkel musterte ich ihren geraden Rücken und die blonden Haare, die nass an ihrem Kopf klebten. Und da wusste ich, dass sie niemals aufgeben würde. Innerlich litt sie wahrscheinlich wie ein Hund. Ihre Leute waren in Gefahr, und sie konnte nicht das Geringste dagegen tun.
    Zee klammerte sich immer noch zitternd an mich. Hina hockte nach wie vor zusammengesunken an der Wand. Harvests Schritte hallten durch den Korridor, als er verschwand, doch dann wurde das Geräusch vom Stöhnen und Husten der verzweifelten Gefangenen verschluckt.
    »Ich dachte, du wärst tot«, flüsterte Zee. In ihrer Brust zischte es schlimmer als je zuvor »Sie haben gesagt, sie hätten dich umgebracht. In diesem Zelt.«
    »Wo ist Crow?«, fragte ich sie. »Und Frost?«
    »Crow ist hier, glaube ich. Irgendwo. Frost hat uns alle verkauft.«
    »Er hat euch eingetauscht?«
    »Wir hatten gerade die Maisplantagen erreicht. Da habe ich versucht wegzulaufen, raus in die Felder.« Wütend schlug sie sich gegen die Brust, als der Husten sie überwältigte.
    »Wo bringt Harvest euch hin?«
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Zee mit rauher Stimme.
    »Er wird sie verkaufen«, erklärte Jawbone von ihrer Wachstation an der Zellentür aus. »Wo das passiert, spielt keine Rolle.«
    »Bist du zum Haus zurückgefahren?«, fragte Zee zwischen zwei angestrengten Atemzügen.
    »Ja, ich bin wieder hin.«
    »Ich habe Sal versprochen, dass ich auf ihn aufpasse.«
    »Er ist hier.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Nicht mehr lange.« Wieder spähte ich zu Zees Mutter hinüber. Sie war die Frau, die mein Vater geliebt hatte. Ich hatte einige Fragen an sie. Aber jetzt war nicht die Zeit,

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