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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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Mais mehr. Die Welt hatte sich verändert.
    Neue Gerüche. Vertraute Gerüche.
    Plastik. Stahl. Sprit.
    Oh, ja, Sprit. Der Geruch der Straße. Lebenssaft, der alles rollen lässt.
    *
    Als das erste Gebäude vorbeizog, hielt ich es für einen Schatten. Ich dachte, ich hätte geblinzelt. Aber die Gebäude tauchten immer wieder in meinem kleinen Stück Himmel auf, flogen vorbei, immer mehr und mehr, bis da nur noch Gebäude waren und kein Himmel mehr.
    Endlos viele Schattierungen von Schwarz, Grau und Silber. So viele Fenster! Wie glasige Augen. Die Bauten waren so hoch, dass sie sich krümmten wie der Horizont, sich einander zuneigten. Stahlpfeiler in Kunststoffverpackungen, die zur Sonne hinaufzeigten.
    Und dann zum Mond. Aber irgendwann verdrängten die Gebäude sogar den Mond. Den massigen, alten Mond.
    Die Dämpfe der Bioraffinerien drangen mir in die Nase. Der klebrige Gestank von gehortetem Mais, der zu Sprit verarbeitet wurde. Und dieser Sprit floss dann durch Rohre, die so groß sein mussten wie Flüsse und die Straßen durchzogen wie Venen einen Körper.
    Als in der Stadt die Lichter angingen, spürte ich die Wirkung der Drogen noch stärker. Zuerst flammten die Fenster auf, aber das war noch gar nichts, nur ein schlichtes Orange wie von einem Feuer. Doch das zischende Glühen der Leuchtreklamen danach, das haute mich um. Lichter in allen Farben, es war vergebene Liebesmüh, sie zählen zu wollen. Sie strahlten ohne das geringste Flackern, wirbelten im Kreis herum und zogen mich mit sich. Ich drehte mich im Licht, als würde ich zwischen Sternen ertrinken. Mein Hals war ganz trocken, und ich kaute auf Zunge und Wangen herum. Schilder blitzten auf. Was stand drauf? Wen interessiert’s? Mich nicht. Konnte die blöden Dinger sowieso nicht lesen.
    Bis auf das letzte.
    Aller Reichtum dieser Welt, und das machten sie daraus? Riesige Gebäude und Lichter, die absurd hell strahlten, und das die ganze Nacht hindurch. So viel Sprit, dass man sich fragte, wie überhaupt noch Mais zum Essen übrig sein konnte. Aber ich war mir sicher, dass sie hier jede Menge aßen, in dieser Stadt, die niemals schlief.
    Kein Schlaf in Vega. Kein Frieden für die Gottlosen.
    Doch ich konnte vielleicht ein Nickerchen machen, denn die Gebäude verschwanden plötzlich, und die Lichter erloschen. Wir wurden unter die Erde gesaugt. Tiefer und tiefer. Ja, schlafen, das wäre schön. Allerdings ließ mich dieses letzte Schild, das ich gesehen hatte, nicht mehr los. Der Gedanke, dass ich ausgerechnet dieses Wort lesen konnte, regte mich furchtbar auf. Als wäre es das einzige Wort, das irgendwie von Bedeutung war.
    GenTech.
    *
    Ich will gar nicht erst anfangen, zu beschreiben, wie es dort unten war. An diesem Ort, wo die Sonne nicht schien und kein Lüftchen sich regte.
    Das Licht war gedämpft, eine kleine Gnade, die sie uns gewährten. Vermutlich war das Teil ihres Systems. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wie das wohl aussah.
    Aber natürlich gab es ein System. Das hier war GenTech. Sie wussten, was sie taten. Und sie wussten, was sie wollten.
    Kranke Arschlöcher. Rannten in ihren violetten Anzügen rum und schwangen ihre Schlagstöcke. Und ich weiß nicht einmal, wofür sie die überhaupt brauchten. Die meisten Gefangenen waren noch bewusstlos, und wer so wie ich wach war, der wurde durch die Drogen dermaßen betäubt, dass er sowieso nicht kämpfen konnte. Wir waren nur Körper. Nicht einmal mehr Menschen. Wir waren Körper, die pissten, kotzten und stöhnten, während die Agenten unsere Gliedmaßen und Gesichter abklopften und ein Opfer nach dem anderen in die Mitte dieses fiesen, finsteren Loches zerrten, wo sich eine Art Sammelplatz befand.
    Das war wohl der absolute Tiefpunkt, auf den alles hier hinauslief. Die letzte Station für all die verlorenen Seelen, die man geschnappt hatte. Die Menschen, die aus dem Staub gerissen und von Sklavenhändlern verkauft worden waren. Leute wie mein Vater, der alte Rasta, Alphas Mutter und nun ich.
    GenTech also. Letzten Endes war es immer GenTech gewesen. Die violette Faust, die uns die letzte Luft aus den verkrusteten Lungen presste.
    Aber wofür?
    Äußerlich konnte ich noch immer kaum einen Finger krümmen. Aber innerlich drehte ich fast durch. Mein Verstand arbeitete nicht richtig, sondern lief in Dauerschleifen.
    Und wieder dachte ich an die verdammte Geschichte von dem Fleischhandel. Dass die reichen Freaks von Vega ihre Mahlzeiten gerne etwas aufpeppen. Aber wenn sie hinter unserem Fleisch her

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