Der Elefant verschwindet
Mittagessen oft noch zusammen ins Bett. Es war der schönste Sex mit ihm. Alles um uns herum war still, die milde Nachmittagssonne durchflutete das Zimmer. Wir waren noch viel jünger als heute, und glücklicher.
Auch jetzt sind wir natürlich noch glücklich. Keine Unstimmigkeit trübt unser Familienleben. Ich liebe meinen Mann und vertraue ihm. Glaube ich wenigstens. Und er tut es auch.
Doch langsam, aber sicher verändert sich unsere Art zu leben, da ist nichts zu machen. Jetzt sind die Nachmittagstermine alle besetzt. Nach dem Essen putzt er sich im Badezimmer die Zähne, steigt in sein Auto und fährt zurück in die Praxis. Tausende, Abertausende von kranken Zähnen warten auf ihn. Aber wir können uns nicht beklagen.
Wenn mein Mann in die Praxis zurückgefahren ist, nehme ich meinen Badeanzug und ein Handtuch und fahre mit dem Auto zu dem in der Nähe gelegenen Sportclub. Dort schwimme ich ungefähr eine halbe Stunde. Ich strenge mich ziemlich an dabei. Nicht dass mir Schwimmen so wahnsinnig viel Spaß machte, ich will nur kein Fett ansetzen. Meine Figur mochte ich schon immer. Mein Gesicht dagegen mochte ich, ehrlich gesagt, noch nie. Ich finde es nicht unbedingt hässlich. Doch ich mag es nicht. Meinen Körper aber mag ich. Ich stehe gern nackt vorm Spiegel und betrachte seine weichen Linien und seine ausgewogene Lebenskraft. Ich habe das Gefühl, als sei etwas für mich sehr Wichtiges darin enthalten. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich weiß, dass ich es nicht verlieren möchte.
Ich bin dreißig. Wenn man dreißig wird, merkt man, dass die Welt mit dreißig nicht zu Ende ist. Ich bin nicht gerade froh, älter zu werden, aber manche Sachen werden dadurch auch einfacher. Es ist eine Frage der Einstellung. Aber eins weiß ich sicher:Wenn eine Frau mit dreißig ihren Körper liebt und ihn ernsthaft in Form halten möchte, dann muss sie dafür etwas tun. Ich weiß das von meiner Mutter. Meine Mutter war früher eine schlanke schöne Frau, doch jetzt ist sie das leider nicht mehr. Ich möchte nicht so werden wie sie.
Nach dem Schwimmen verbringe ich den restlichen Nachmittag ganz unterschiedlich. Manchmal gehe ich rüber zum Bahnhof und mache einen Schaufensterbummel. Oder ich fahre zurück nach Hause, setze mich aufs Sofa und lese ein Buch, oder ich höre Radio oder döse einfach ein. Bald kommt dann mein Sohn von der Schule. Ich sorge dafür, dass er sich umzieht, und mache ihm was Kleines zu essen. Wenn er fertig ist, geht er raus und spielt mit seinen Freunden. Er ist erst in der zweiten Klasse, braucht also noch nicht nachmittags in die Paukschule, und ich schicke ihn auch nicht zum Klavierunterricht oder Ähnlichem. »Lass ihn spielen«, sagt mein Mann. »Beim Spielen wird er ganz von selber groß.« Wenn er geht, sage ich: »Sei vorsichtig.« Und er antwortet: »Mach dir keine Sorgen.« Genau wie mein Mann.
Wenn es Abend wird, fange ich an, das Abendessen vorzubereiten. Mein Sohn kommt spätestens um sechs nach Hause. Er sieht dann Zeichentrickfilme im Fernsehen. Wenn es in der Praxis nicht länger dauert, kommt mein Mann vor sieben zurück. Mein Mann trinkt nicht einen Tropfen Alkohol, und er trifft sich auch nicht gern öfter als notwendig mit anderen. Meist kommt er direkt nach der Arbeit nach Hause.
Beim Essen reden wir drei über das, was wir am Tag erlebt haben. Unser Sohn redet allerdings am meisten. Es ist normal, für ihn ist jedes Ereignis in seiner Umgebung neu und voller Rätsel. Unser Sohn erzählt, und wir geben unsere Meinung dazu ab. Nach dem Essen macht mein Sohn, wozu er gerade Lust hat, er guckt fern, liest ein Buch oder spielt mit meinem Mann irgendein Spiel. Wenn er Hausaufgaben aufhat, verzieht er sich in sein Zimmer und erledigt sie. Um halb neun geht er schlafen. Ich decke ihn ordentlich zu, streiche ihm über das Haar, sage »Gute Nacht« und lösche das Licht.
Die Zeit danach gehört meinem Mann und mir. Mein Mann sitzt auf dem Sofa, liest die Abendausgabe der Zeitung und erzählt mir ab und zu etwas – von seinen Patienten oder über das, was in der Zeitung steht. Danach hört er Haydn oder Mozart. Ich höre auch gern Musik, aber ich kann Haydn und Mozart nie auseinanderhalten. Sie hören sich für mich fast gleich an. Wenn ich ihm das sage, sagt mein Mann, dass man den Unterschied nicht unbedingt kennen muss. »Es ist einfach schön. Das reicht doch, oder.«
»So wie du«, sage ich.
»Ja, so wie ich«, sagt er mit einem Lachen. Er scheint sehr zufrieden.
Das ist
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