Der Elefant verschwindet
altmodischen irdenen Wasserkrug. Bald darauf hob er ihn hoch und begann, Wasser auf meine Füße zu gießen. Doch ich spürte auch das Wasser nicht. Ich sah, wie das Wasser auf meine Füße floss. Ich hörte es auch. Aber meine Füße fühlten nichts.
Der alte Mann goss unaufhörlich Wasser auf meine Füße. Seltsamerweise wurde das Wasser im Krug, so viel er auch goss, nicht alle. Ich dachte, dass meine Füße langsam faulen und sich auflösen würden. Das wäre nicht verwunderlich, da sie so lange mit Wasser begossen wurden. Bei der Vorstellung meiner faulenden und sich auflösenden Füße hielt ich es nicht länger aus.
Ich schloss meine Augen und ließ einen Schrei los, so laut ich konnte.
Aber der Schrei drang nicht nach außen. Meine Zunge brachte die Luft nicht zum Vibrieren. Er hallte nur lautlos im Innern meines Körpers wider. Dieser lautlose Schrei tobte durch meinen Körper und ließ mein Herz stillstehen. Einen Moment lang wurde alles in meinem Kopf weiß. Der Schrei drang in jede Zelle meines Körpers. Irgendetwas starb in mir, irgendetwas löste sich auf. Wie der Blitz einer Explosion verbrannte dieses luftleere Beben alles, was mit meiner Existenz zu tun hatte.
Als ich meine Augen öffnete, war der alte Mann verschwunden. Auch der Krug war fort. Ich sah auf meine Füße. Nichts auf dem Bett deutete auf vergossenes Wasser hin. Die Decke war absolut trocken. Ich hingegen war schweißgebadet. So nass, dass es mich schaudern machte. Es war mir unvorstellbar, dass ein einzelner Mensch so viel Schweiß produzieren konnte. Aber es gab keinen Zweifel, es war mein Schweiß.
Ich bewegte einen Finger nach dem anderen. Ich bewegte meine Arme und meine Beine. Ich ließ meine Füße kreisen und beugte meine Knie. Es ging zwar nicht so leicht, aber es ging. Nachdem ich meinen ganzen Körper einmal sorgfältig überprüft hatte, setzte ich mich vorsichtig auf. Im trüben Licht, das von der Straßenlaterne hereinfiel, ließ ich meine Augen durch alle Ecken des Zimmers wandern. Der alte Mann war nirgends zu entdecken.
Auf der Uhr neben dem Kopfkissen war es halb eins. Ich war kurz vor elf ins Bett gegangen, hatte also nur etwa eineinhalb Stunden geschlafen. Neben mir schlief mein Mann tief und fest. Er schlief so fest und leise, als sei er bewusstlos. Wenn mein Mann einmal schläft, kann ihn fast nichts mehr aus dem Schlaf holen.
Ich stand auf, ging ins Badezimmer, zog mein schweißnasses Nachthemd aus, warf es in die Waschmaschine und duschte. Ich trocknete mich ab und nahm einen neuen Pyjama aus dem Schrank. Dann knipste ich die Stehlampe im Wohnzimmer an, setzte mich aufs Sofa und trank ein ganzes Glas Cognac. Eigentlich trinke ich fast nie Alkohol. Es ist nicht wie bei meinem Mann, der aufgrund seiner körperlichen Konstitution keinen Alkohol verträgt. Früher habe ich sogar relativ viel getrunken, aber nach meiner Heirat hörte ich plötzlich auf. Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, trinke ich einen Schluck Cognac. Doch in dieser Nacht brauchte ich ein ganzes Glas, um meine angegriffenen Nerven zu beruhigen.
Im Schrank stand eine Flasche Rémy Martin, der einzige Alkohol in unserem Haushalt. Irgendjemand hatte sie uns geschenkt, aber es war schon so lange her, dass ich vergessen hatte, wer es gewesen war. Die Flasche war mit einer dünnen Staubschicht bedeckt. Da wir keine Cognacgläser hatten, nahm ich ein normales Glas und trank in kleinen Schlucken.
Mein Körper zitterte noch leicht, aber die Angst wurde langsam weniger.
Vielleicht war es eine Trance, dachte ich. Ich kannte so etwas nicht, aber eine Freundin aus der Unizeit hatte das schon mal erlebt. Alles sei unheimlich deutlich, hatte sie erzählt, man glaube gar nicht, dass es ein Traum sei. »Ich habe damals nicht geglaubt, dass es ein Traum ist, und kann es noch immer nicht glauben.« Mir ging es jetzt ebenso. Sicherlich war es ein Traum. Aber eine Art Traum, der kein Traum zu sein schien.
Obwohl die Angst abnahm, hörte mein Körper nicht auf zu zittern. Meine Haut zitterte immer noch, so wie Ringe auf dem Wasser nach einem Erdbeben. Das leichte Zittern war genau zu sehen. Das liegt an dem Schrei, dachte ich. Der lautlose Schrei war in meinem Innern eingeschlossen und ließ meinen Körper erbeben.
Ich schloss die Augen und trank noch einen Schluck Cognac. Ich spürte, wie die warme Flüssigkeit von meiner Kehle in den Magen rann. Ich spürte es ganz deutlich.
Auf einmal machte ich mir Sorgen um meinen Sohn. Sofort begann mein Herz
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