Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
Vom Netzwerk:
bestickten Hocker und versuchte irgendeinen Plan zu entwickeln. Nur machte sie den Fehler, zuvor auf die Uhr zu schauen, und danach betätigte ihr Gehirn den Not-Ausschalter. Schon acht Uhr! Das durfte doch nicht wahr sein! Um es jetzt noch zu schaffen, musste alles klappen wie geschmiert – und im Moment war das einzig Schmierige ein Stück gekochtes Gemüse, das an ihrem Schuh klebte.
    »Oh, let me help you!« Eine junge Thai mit mandelförmigem, edel geschminktem Gesicht kam auf sie zu, sie zog eine Schleppe aus Klopapier hinter sich her. Kurzer Wisch, weg war das Gemüse an Ricardas Schuh. Sie würde nie mehr erfahren, ob es sich um Thai-Aubergine oder Zucchini gehandelt hatte.
    »Danke«, sagte Ricarda und strich sich erschöpft eine Haarsträhne aus der Stirn. Wie erfrischend, ausnahmsweise mal nicht dumm angemacht zu werden. Sie schaute auf – und stutzte. Irgendetwas an dieser Frau war seltsam. Ziemlich seltsam. Und die andere Bedienung des Ladens, hm, auch an der war irgendwas komisch. Ziemlich großer Adamsapfel. Und die Stimme … eigentlich zu tief für eine Frau.
    O Mann. War das ein Laden nur für Ladyboys , wie sie in Thailand genannt wurden? Ricarda beschloss, dass ein schneller Rückzug jetzt wahrscheinlich die beste Strategie war. Doch ihr Fuß verwickelte sich inder Klopapier-Schlange, sie stolperte, versuchte sich irgendwie abzustützen … und riss einen Kleiderständer mit zwei Dutzend nagelneuen T-Shirts zu Boden.
    »Alle dreckig! Verdorben!«, kreischte eine der Frauen, die vielleicht doch keine war. »Bezahlen! Farang T-Shirts-Reinigung bezahlen!«
    Diesmal wurde Ricarda nicht rot, sondern blass. Sie wühlte sich aus dem Stoffstapel hervor und machte sich bereit, einen olympiareifen Sprint aus dem Laden hinzulegen. Doch dann begannen die Verkäuferinnen zu lachen, tief und herzlich die eine, gackernd die andere.
    »Nix passiert«, radebrechte eine von ihnen auf Deutsch und stellte den Kleiderständer mit einem kräftigen Ruck ihres muskulösen Arms wieder an seinen Platz. »You okay?«
    »No«, antwortete Ricarda spontan und erntete bestürzte Blicke. Worauf sie erst mal erzählen musste, was los war. Als sie erklärte, dass sie schwer verliebt war und kurz davor, ihr nächstes Rendezvous zu verpassen, seufzten die beiden Verkäuferinnen. Noch lauter wurden die Seufzer, als Ricarda erwähnte, dass sie bei diesem Rendezvous vielleicht endlich erfahren hätte, ob der Junge sie ebenfalls liebte.
    »Sure he loves you!«, versicherte eine ihrer neuen Freundinnen und tätschelte Ricardas Schulter. »You are suay maak maak , very beautiful. So schöne Haare!«
    »Thank you.« Verlegen wandte Ricarda den Blickauf den Boden. Natürlich hatte sie sich Gedanken gemacht, ob sie Nuan gefallen konnte. Zum Glück war sie schmal und zierlich gebaut und für eine Deutsche klein, also genau richtig, um Nuan nicht zu überragen. Und ihre langen, seidig glänzenden dunklen Haare wurden auch in Deutschland regelmäßig bewundert.
    »So you have to go? To Lampang?«, fragte die eine noch einmal nach, und dann beratschlagten sie sich in schnellem, melodischem Thai. Sie ignorierten sogar einen Kunden, der sich durch quietschbunte Hemden wühlte und sicher ein williges Opfer für modische Verirrungen gewesen wäre. Doch so wanderte er unbehelligt wieder zur Straße hinaus, während die eine Verkäuferin Ricarda mit ihren korallenrot geschminkten Lippen anlächelte. Und ihr eröffnete, dass ihr Cousin heute noch nach Lampang fahren müsse und vielleicht einen Platz im Auto frei habe.
    Ricarda strahlte über das ganze Gesicht. Sah fast so aus, als seien die Götter auf ihrer Seite! »Tatsächlich? Das ist toll. Tausend Dank!«
    Eine der Verkäuferinnen stöckelte los, um ein Telefon zu holen.
    Kurz darauf saß Ricarda auf den Ledersitzen eines schwarzen BMW, der geschmeidig durch die Nacht schnurrte. Neben sich einen jungen Mann in schneeweißem Hemd und grauer Business-Hose. Sehr begeistert schien er nicht zu sein von dem Auftrag, den seine Verwandten ihm eingebrockt hatten. Und seinEnglisch war grauenhaft. Ricarda verstand erst beim dritten Anlauf, dass er wissen wollte, wo sie wohne. »Elephant Refuge«, erklärte sie und fügte gleich hinzu, dass sie aber nicht dorthin wollte, sondern zum Tempel Wat Phra That Lampang Luang. Der junge Mann nickte und beschäftigte sich dann den Rest der Fahrt halb mit dem Steuer des BMWs und halb mit seinem Handy. Völlig okay, fand Ricarda. Besser, als sich zu sehr für sie zu

Weitere Kostenlose Bücher