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Der Elfenpakt

Titel: Der Elfenpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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sich als unnachgiebiger Feind, als ein viel gefährlicherer, als Lord Hairstreak es jemals sein würde. Falls das Elfenreich diese Krise überstand, würde der Nachrichtendienst seine Aufmerksamkeit sehr viel stärker auf die Dämonen richten müssen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen war. Falls es sie überstand …
    »Mrs. Ogyris scheint ja recht mitteilsam gewesen zu sein, Kitterick«, bemerkte Madame Cardui trocken.
    Kitterick schlug bescheiden die Augen nieder. »Äußerst mitteilsam, Madam«, bestätigte er.

 
VIERUNDNEUNZIG
     
    B lue stieg aus dem Bett.
    Das Merkwürdige war, dass sie tatsächlich geschlafen hatte, nun aber war sie hellwach und aufgewühlt. Die Glühkugeln reagierten auf ihre Bewegung, aber sie schaltete sie mit einem geflüsterten Befehl aus. Im Moment war es das Beste, niemanden in Aufruhr zu versetzen. Sie trat ans Fenster und zog lautlos die Vorhänge zurück. Dicht über dem Horizont standen die beiden Zwillingsmonde des Elfenreiches, die das Zimmer in einen sanften Schimmer tauchten, hell genug, um sich anzuziehen.
    Sie ging zum Kleiderschrank hinüber und streifte sich das Nachthemd über den Kopf. Die meisten ihrer Kleider waren streng nach Zweckmäßigkeit ausgewählt. Sie hatte es schon früher immer vorgezogen, sich wie ein Junge zu kleiden, und selbst jetzt als Kaiserin hatte sich ihr Geschmack nicht wesentlich geändert. Aber in dieser Nacht gab es einen besonderen Anlass, für den sie so gut wie möglich aussehen wollte, also wählte sie das Gewand aus Spinnerseide, das sie damals zu Pyrgus’ Krönung in Auftrag gegeben hatte. Es war zwar formell, stand ihr aber ausgezeichnet. Sie bedauerte nur, dass es nicht neu war, aber sie brauchte ja bloß ein neues in Auftrag zu geben, und bis dahin war diese Kreation der Seidenherrinnen mit Abstand das bezauberndste Stück in ihrem Kleiderschrank.
    Als das raffinierte Material ihren Körper umfloss, spürte sie wieder dieses Gefühl der Verzauberung. Sogar ohne in den Spiegel zu blicken, wusste sie, dass sie fantastisch aussah. Sie fühlte sich absolut elegant und selbstsicher. Genau, wie man sich in einer so wichtigen Nacht fühlen sollte. Für einen kurzen Moment erwog sie, sich zu schminken, entschied dann aber, dass sie wirklich keinen Illusionszauber nötig hatte. Sie war jung, sie war das blühende Leben, und sie wusste, wie anziehend sie in dem Spinnerseidengewand wirkte. Was wollte man mehr.
    Als sie ihre Gemächer verließ, setzte ihre persönliche Leibgarde sich in Bewegung, um sie zu begleiten, aber sie verscheuchte sie mit einer raschen Handbewegung. Sie würden natürlich tratschen. Sie würden Spekulationen anstellen, wo sie mitten in der Nacht denn hinwollte. Aber das spielte keine Rolle. In ein oder zwei Stunden würden ohnehin alle Bescheid wissen.
    Der Purpurpalast war ein Gebäude von so gigantischen Ausmaßen, dass neue Dienstboten oft tagelang verschwanden, wenn sie die Gänge und Korridore entlangwanderten. Zehn Jahre zuvor war einer der Unglücklichen tatsächlich in einem unbewohnten Flügel verhungert, weil er nirgends einen Vorratsraum gefunden hatte. Als der ausgemergelte Körper gefunden worden war, hatte Blues Vater, der damalige Purpurkaiser, angeordnet, an wichtigen Knotenpunkten zauberbeschichtete Übersichtspläne zu platzieren, die den Betreffenden orten konnten und für jedes laut ausgesprochene wichtige Ziel eine Route ausarbeiteten. Blue, die von Kindesbeinen an durch dieses Labyrinth gewandert war, brauchte keine Pläne. Davon abgesehen hatte keine der Zauberbeschichtungen ihr Ziel gespeichert.
    In den Korridoren mit den dicken Teppichen und schweren Vorhängen drückte sich das Nachtpersonal an die Wände und dienerte und knickste, als sie vorbeiging. Doch schon nach kurzer Zeit war Blue im alten Teil des Palastes angelangt, wo die Teppiche in Steinfliesen übergingen und statt der Samtvorhänge Wimpel aus Baumwolle hingen und schließlich gar nichts mehr. So weit entfernt von den in der Palastmitte gelegenen Öfen wurde die Luft merklich kühler. An den Wänden schlug sich Kondenswasser nieder. Blue beschloss, sich später darum zu kümmern. In keinem Teil des Palastes durfte es kalt sein. Aber im Moment hatte sie andere Dinge im Kopf.
    Sie bog um eine Ecke, zögerte einen Moment – selbst sie kannte sich in diesem Flügel hier nicht gut aus –, dann entdeckte sie, wonach sie gesucht hatte. Die Tür war aus Eiche, mit Eisenbeschlägen und so klein, dass ein erwachsener Mann sich

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